Vom praktischen Nutzen der Volkshochschule

Autor: Dr. Hermann Huba, Verbandsdirektor, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Was nutzt  eine leistungsfähige Volkshochschule den Kommunen ihres Wirkungskreises, insbesondere der Wirtschaft ihrer Region?

  • Zunächst, und aus wirtschaftlicher Sicht: vor allem bedeutet die Entscheidung für eine leistungsfähige Volkshochschule eine Entscheidung zu Gunsten der Möglichkeit aller Bevölkerungskreise zur beruflichen Anpassungsqualifizierung. Denn bedingt durch Forschung, technische Entwicklung und Wettbewerb verändert sich unsere Wirtschafts- und Arbeitswelt in atemberaubendem Tempo. Und an diese Veränderungen müssen sich die Menschen immer wieder – lebensbegleitend – anpassen.

 

  • Beschleunigte dramatische Veränderungen prägen aber nicht nur unsere Wirtschafts- und Arbeitswelt. Die Elektronische Datenverarbeitung und die Möglichkeiten des Internets verlangen bis heute von jedem von uns erhebliche Lernleistungen auch im privaten Bereich. Dem dient das Weiterbildungssystem, das nicht einfach nur eine Qualifizierungsmaschine ist. Es vermittelt uns auch neue Kulturtechniken und eine Allgemeinbildung auf Höhe der gesellschaftlichen Entwicklung. Und die stetige Erhöhung und Verbreiterung unseres Allgemeinbildungsniveaus ist der Humus unserer wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, weil ein Land, in dem kein Öl aus dem Boden sprudelt, darauf angewiesen ist, dass Ideen aus den Köpfen sprudeln.

 

  • Ein Motor unserer rasanten gesellschaftlichen Entwicklung ist bekanntermaßen das Prinzip der Spezialisierung. Die einzelnen Wissenschaften, insbesondere die Naturwissenschaften produzieren aufgrund ihrer Spezialisierung ständig neues Wissen, das darüber hinaus zunehmend ethische Fragen aufwirft, die die Gesellschaft beantworten muss.

 

  • Die Beantwortung dieser Fragen setzt in einem demokratischen Gemeinwesen eine informierte und entscheidungsfähige Gesellschaft voraus. Unsere Gesellschaft indessen besteht aus Menschen wie wir alle, nämlich aus Menschen, die in einem engen Bereich über spezielles Wissen und über spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, ansonsten aber blutige Laien sind. Deshalb bedürfen wir alle zukünftig mit steigender Dringlichkeit einer Einrichtung, die Spezialwissen und – nicht zu vergessen – auch eine höchst anspruchsvolle Kunst und Kultur übersetzt in unseren Verständnishorizont mithin allgemein verständlich macht. Dieser Transfer ist Aufgabe der Volkshochschule.

 

  • Auch zur Bewältigung des demographischen Wandels unserer Gesellschaft kann die Volkshochschule einen erheblichen Beitrag leisten. Eine deutlich kleinere und ebenso deutlich ältere Gesellschaft wird etwa das gegenwärtige Kostenniveau unseres Gesundheitssystems nicht aufrecht erhalten können. Selbstverständlich wird die auf Prävention zentrierte Gesundheitsbildung der Volkshochschulen dieses Problem alleine nicht lösen können. Aber umgekehrt bleibt ohne eine starke Verbreitung dieses Ansatzes in der Bevölkerung eine Lösung auf Dauer auch ausgeschlossen.

 

  • Gleiches gilt für alle Fragen der gesellschaftlichen Inklusion und der Integration in unsere Gesellschaft. Der wachsende Analphabetismus, der verbesserungsbedürftige Dialog zwischen den Generationen und die hohe soziale Selektivität unseres Bildungssystems, um nur drei Inklusionsaufgaben zu nennen, auf die die Volkshochschule spezialisiert ist, harren ebenso einer Bearbeitung und Lösung wie die Herausforderung der Integration der bereits unter uns lebenden und der noch kommenden Migrantinnen und Migranten. Von allen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Überlegungen einmal abgesehen, sticht auch hier ein wirtschaftlicher Kalkül: Die Folgekosten unterbliebener Inklusion und Integration übersteigen die Kosten erfolgreicher Inklusion und Integration um ein Vielfaches.

 

  • Und nicht zuletzt gewährleistet eine leistungsfähige Volkshochschule den Menschen ihres Wirkungskreises den ganz konkreten Anschluss an Europa und die Welt: durch ein umfassendes Sprachenangebot und die besondere Art des Sprachenunterrichts, die den kulturellen Hintergrund mitbeleuchtet.

 

  • Angesichts des dargestellten Primärnutzens der Volkshochschule ist es fast müßig, auch noch auf ihren sogenannten Sekundär- oder Nebennutzen hinzuweisen: Selbstverständlich gewinnt eine Kommune auch unmittelbar dadurch, dass Menschen eine vhs-Veranstaltung besuchen. Denn einmal kaufen solche Besucher/-innen Unterrichtsmaterialien, Lehrbüchern über Malstifte bis hin zu Gymnastikbekleidung. Und zum anderen nutzen auswärtige Teilnehmer/-innen die Gelegenheit ihres vhs- Besuchs häufig zum Einkaufen aller möglichen Produkte und Dienstleistungen, zum Besuch kultureller Einrichtungen oder von Freizeiteinrichtungen sowie nicht zuletzt zum Besuch von Gaststätten und Restaurants.

 

  • Deshalb ist jede Entscheidung einer Kommune zu Gunsten (des Ausbaus)  einer Volkshochschule eine kluge Entscheidung,  und  zwar  unter  dem  Aspekt der örtlichen Wirtschaft und unserer allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit ebenso eine kluge Entscheidung wie unter dem Aspekt der zukünftigen Entwicklung unserer sozialen Demokratie.