Ehrenamtliches Engagement verlangt Fortbildung

Autor: Dr. Hermann Huba, Verbandsdirektor, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

In einer Demokratie stellt die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zu ehrenamtlichem Engagement weit mehr als eine willkommene gesellschaftliche Ressource dar. Sie ist ein Wert an sich, weil sie die Bereitschaft bedeutet, für das Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen. Aktuelles Paradebeispiel für ehrenamtliches Engagement in diesem Sinne sind die wohltuende Aufmerksamkeit und Zuwendung und die unschätzbare praktische Unterstützung und Hilfe, die Bürgerinnen und Bürger den Menschen zukommen lassen, für die Deutschland das Ziel ihrer Flucht ist.

Dieses Paradebeispiel zeigt aber zugleich, dass ehrenamtliches Engagement eher ein Wert im Sinne eines Rohdiamanten ist. Denn der beste Wille – auch Vieler – kann die gesellschaftliche Grundstruktur nicht verändern. Und die Grundstruktur unserer Gesellschaft bildet seit mehr als zweihundert Jahren das Prinzip der funktionalen Differenzierung , d.h. der aufgabenorientierten Spezialisierung. Wir haben uns daran gewöhnt, immer und überall eine gute Aufgabenerfüllung durch hohe spezialisierte Leistung, um nicht zu sagen: beste Aufgabenerfüllung durch spezialisierte Höchstleistung, zu erwarten. Diese gesellschaftliche Grunderwartung erklärt die rasante gesellschaftliche Entwicklung der sog. westlichen Welt, ihren bei allen Folgelasten unleugbaren Erfolg und – weshalb unsere Gesellschaft so anstrengend ist.

Für die konkrete Aufgabenerfüllung bedeutet das, dass zu der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, die Kompetenz hinzu kommen muss, die Verantwortung auch tragen zu können. Der beste Wille kann fehlende fachliche und soziale Kompetenz nicht ersetzen.

Deshalb kann beispielsweise nicht jeder, der der deutschen Sprache mächtig ist, Flüchtlinge in Deutsch als Fremdsprache unterrichten, ja überhaupt unterrichten oder gar alphabetisieren. Wir wissen nämlich, dass der Erstkontakt mit einer fremden Sprache besonders prägend ist, positiv wie negativ. Fehlprägungen können in Sackgassen führen und ihre Umkehrung kann in vielen Hinsichten „teuer“ werden.

Ebenso stellen beispielweise die wichtige und anspruchsvolle Aufgabe eines Schöffen und die damit verbundene Verantwortung hohe Anforderungen an den Einzelnen. Ohne durch Fortbildungen zu erwerbende grundlegende Kenntnisse der Rechte und Pflichten diesem Ehrenamt, ist eine erfolgreiche Tätigkeit nicht denkbar.

Weil wir gute und brauchbare Ergebnisse also grundsätzlich nicht auf gutmeinendes Engagement, sondern auf fachliche Leistung zurückführen, sind nur solche Ergebnisse ehrenamtlicher Tätigkeiten gesellschaftlich anschlussfähig, die sich durch fachliche Qualität auszeichnen. Fachliche Qualität setzt aber fachliche Kompetenz voraus. Deshalb schuldet das Gemeinwesen den Bürgerinnen und Bürgern, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, jene fachliche Fortbildung, die ihren Einsatz für die Gesellschaft erst sinnvoll macht. In diesem Sinne gilt: Ehrenamtliches Engagement verlangt Fortbildung.

Die Ergänzung des guten Willens durch die Vermittlung erforderlicher Kompetenz schließt indessen nicht nur den Wert ehrenamtlichen Engagements für die Gesellschaft auf. Sie ist auch Voraussetzung dafür, dass die ehrenamtlich Tätigen ihr Engagement selbst als sinnvoll, nachhaltig und freudvoll erleben können. Mindestens drei Gründe sprechen dabei für die Vermittlung der erforderlichen Kompetenzen durch die Volkshochschule vor Ort. Zum einen bieten nur die Volkshochschulen eine entsprechend breite Themenpalette, um den sehr unterschiedlichen Bedarfen gerecht werden zu können. Zum anderen sind die Volkshochschulen mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung Profis in Sachen Fort- und Weiterbildung. Und nicht zuletzt kennen die Volkshochschulen als kommunale Weiterbildungsakteure die konkreten kommunalen Gegebenheiten und Bedürfnisse sehr genau aus eigener Anschauung und Erfahrung.