Gesundheitsbildung stärkt die Menschen und unsere Demokratie

Autorin: Vera Mühlbauer, Fachreferentin Gesundheitsbildung, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Zahlreiche Studien belegen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit besteht. Armut erhöht unmittelbar das Risiko zu erkranken1.

Vergleicht man die Lebenserwartung des ärmsten und des reichsten Viertels der deutschen Bevölkerung, differiert sie bei Männern um 11 und bei Frauen um 8 Jahre, jeweils zum Nachteil der Ärmeren. Auch die Sterberate von Armut betroffener Menschen ist in unserer Gesellschaft deutlich erhöht2.

Darüber hinaus verringert ein niedriger sozioökonomischer Statuts die gesellschalftlichen Teilhabechancen und Partizipationsmöglichkeiten und führt nicht selten zu sozialer Ausgrenzung.

Armutsbedingte Krankheit und Verkürzung der Lebens- zeit sind keine schicksalhaften, sondern weitgehend vermeidbare Ungleichheiten. Deshalb darf eine Demokratie sie nicht akzeptieren. Denn Demokratie heißt vor allem Gleichheit der Menschen. Ungleichheiten bedürfen also der Rechtfertigung. Und nicht zu rechtfertigende Ungleichheiten erhöhen das Konfliktpotenzial in einer Gesellschaft und gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Also erfordert das demokratische Prinzip Gesundheitsbildung mit dem Ziel, diese ungerechtfertigten Ungleichheiten abzubauen. Bereits 1948 machte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) deutlich: „… sich des best- möglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen, ist ein Grundrecht des Menschen, ohne Unterschied der Rasse, Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen und sozialen Stellung“3.

Gesundheitsbildung bedeutet aber nicht nur, jede einzelne Person zu befähigen, ihre Gesundheit aktiv positiv beeinflussen zu können. Es müssen gleichzeitig auch positive politische, ökonomische und soziale Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Menschen durch die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen nicht nur abstrakt befähigt werden, sondern tatsächlich selbstbewusst in Bezug auf die eigene Gesundheit entscheiden und handeln können, ganz im Sinne des Empowerments4.

Seit dem Jahr 2000 ist die Forderung nach gesundheitlicher Chancengleichheit in § 20 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) gesetzlich verankert. Auch das neue Präventionsgesetz von 2015 ist ein Schritt in Richtung der Verwirklichung gesundheitlicher Chancengleichheit. Danach sollen u. a. sozial Benachteiligte in den entsprechenden Lebenswelten (Settings) wie Kindergarten und Schule, Nachbarschaften und Betrieben besser erreicht werden5.

Bildung und Qualifizierung sind die Mittel der Wahl gegen Armut und armutsbedingte Krankheit sowie armuts- oder krankheitsbedingte Reduzierung der gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten. In diesem Sinne stärkt richtig verstandene Gesundheitsbildung nicht nur den einzelnen Menschen, sondern auch unsere Demokratie.

 

1    Vgl. Gesundheit in Deutschland 2015: Kapitel 03. Welche Faktoren beeinflussen die Gesundheit?, 2015, abrufbar unter: http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/ Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsGiD/2015/03_ gesundheit_in_deutschland.pdf?   blob=publicationFile.

2    Vgl. Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., 2017, abrufbar unter: http://www.armut-gesundheit.de/der-verein/

3   Vgl. Verfassung der Weltgesundheitsorganisation, Stand 08.05.2014, S. 1, abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19460131/201405080000/0.810.1.pdf

 Vgl. BZgA, Leitbegriffe der Gesundheitsförderung, „Gesundheitsbildung“, 2014, abrufbar unter: https://www.leitbegriffe.bzga. de/alphabetisches-verzeichnis/gesundheitsbildung/

5   Vgl. Leitfaden Prävention, 2017, S. 21 ff.