10 Jahre Integrationskurse ‒ eine Erfolgsgeschichte mit Nebenwirkungen

Autorin: Martina Haas, Fachreferentin Sprachen und Integration, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

An den Volkshochschulen

Lange bevor es die Integrationskurse gab, haben sich Volkshochschulen für die Verständigung zwischen den Kulturen, Religionen und Traditionen stark gemacht. Insbesondere der Fremdsprachenbereich war schon immer geprägt von der großen Anzahl an muttersprachlichen Kursleitenden, die die Charakteristika ihres Herkunftslandes authentisch vermitteln können. Schon immer haben an Volkshochschulen Deutschkurse für unterschiedliche Zielgruppen stattgefunden.

Und doch hat mit der Einführung der Integrationskurse im Jahr 2005 eine neue Zeitrechnung für jene (aktuell) 84 als Integrationskursträger akkreditierten Volkshochschulen begonnen: Allein die schiere Menge an zusätzlichen Teilnehmenden, Kursen und Unterrichtseinheiten hat zu Änderungen in den Strukturen in den Einrichtungen selbst geführt. Mehr Räume, mehr Kursleitende und mehr hauptberufliches Personal sind nötig, um die Kurse im Umfang von 660 bis 1260 Unterrichtseinheiten zu organisieren. Hinzu kommt der enorme Verwaltungsaufwand, der durch die Regelungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eingefordert wird.

Die statistischen Zahlen zeigen, dass sich der Deutschbereich in der letzten Dekade praktisch verdoppelt hat, so dass dieser an manchen Volkshochschulen zu einem eigenen Fachbereich innerhalb des Programmbereichs Sprachen wurde. Dies kann so weit gehen, dass das Kursangebot für Deutsch sogar in einem eigenen Programmheft veröffentlicht wird.

Die Durchführung von Integrationskursen erfordert eine deutlich stärkere Netzwerkarbeit vor Ort. Dabei werden die Volkshochschulen nicht nur zu verlässlichen Partnern für die zuständigen Behörden. Sie treten darüber hinaus in direkten Kontakt mit anderen Integrationskursträgern.

 

Beim Volkshochschulverband

Die Einführung der Integrationskurse wirkte sich ebenso auf die Arbeit auf Landesebene aus. Das Themenfeld „Integration“ ist beim Verband bei den Sprachen angesiedelt und prägt die Abteilungsarbeit maßgeblich:

Die Volkshochschulen, die Integrationskurse durchführen, müssen sich nicht nur vor Ort mit anderen Trägern, sondern auch miteinander deutlich stärker vernetzen. Der Verband unter- stützt dies mit zentralen Veranstaltungen und Fachtagungen. Diese reichen von Schulungen für Verwaltungsmitarbeiter/innen ‒ insbesondere in den ersten Jahren nach Einführung der Integrationskurse ‒ über Beratungstage im Rahmen der Trägerzulassung bis hin zu Konferenzen, die sich mit perspektivischen Fragen beschäftigen. Bei den Abteilungskonferenzen ist ein Tagesordnungspunkt grundsätzlich dem Themenfeld Integration gewidmet. Über einen speziellen Rundmailverteiler gelangen Informationen unmittelbar an die für die Integrationskurse zuständigen Kolleginnen und Kollegen an den Volkshochschulen.

Mit der Projektgruppe Integrationskurse wurde ein Expertengremium eingerichtet, in dem die aktuellen Entwicklungen diskutiert und durch Multiplikation in den Regionen verbreitet werden. Der Projektgruppe gehört jeweils ein Vertreter/eine Vertreterin einer Region an. Sie tagt alle zwei Monate.

Der Landesverband ist einer von bundesweit 19 akkreditierten Trägern der allgemeinen Zusatzqualifizierung für Deutsch als Zweitsprache für Lehrkräfte in Integrationskursen sowie der Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Integrationskursen mit Alphabetisierung. Damit bietet er den Kursleitenden der Mitgliedseinrichtungen die Möglichkeit, die jeweils notwendige Qualifizierung innerhalb von Baden-Württemberg zu absolvieren.

Rund die Hälfte aller Integrationskurse wird in Baden-Württemberg an Volkshochschulen durchgeführt. Dies verleiht der politischen Arbeit des Volkshochschulverbandes bei den zuständigen Ministerien auf Landes-, aber auch auf Bundesebene besonderes Gewicht. Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Integration ist ausgezeichnet.

 

Aus- und Nebenwirkungen

Jährlich durchlaufen im Schnitt 6000 Teilnehmende einen Integrationskurs an Volkshochschulen in Baden-Württemberg. Diese Zahl wäre beeindruckend genug. Doch die Volkshochschulen machen viel mehr als nur Integrationskurse. Sie sind auch aus anderen Bereichen der Integrationsarbeit nicht mehr wegzudenken.

Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass sie als verlässliche und kompetente Partner einen festen Platz im Kreis der Akteure haben. Zum anderen sind sie auch bei den Zugewanderten als Ort bekannt, an dem man mehr als nur den Integrationskurs besuchen kann:

  • Der im Jahr 2009 eingeführte Einbürgerungstest wird von Anfang an praktisch ausschließlich von den 43 dafür akkreditierten Volkshochschulen durchgeführt. Pro Jahr sind dies rund 6500 Tests.
  • Mit dem verstärkten Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland und den Regelungen zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist die Nach- frage nach Sprachkursen über dem Niveau B1 deutlich gestiegen. Mit Hilfe von Projektgeldern des Europäischen Integrationsfonds sowie des Ministeriums für Integration Baden-Württemberg kann der Volkshochschulverband eine gewisse Anzahl von Kursen auf B2-Niveau finanziell fördern.
  • Um die Volkshochschulen auch in ihrem Angebot an berufssprachlichen Kursen zu unterstützen, wird der Volkshochschulverband ab Herbst 2015 regelmäßig Lehrgänge zum beruflichen Deutsch durchführen, die durch Projektgelder aus dem IQ- Netzwerk gefördert werden.
  • Die Nachfrage nach Sprachenzertifikaten im Bereich Deutsch hat in den vergangenen Jahren ebenfalls stark zugenommen. In den Jahren 2012 bis 2014 hat sich die Zahl der durchgeführten Prüfungen auf den Niveaustufen B2 und C1 annähernd verdreifacht. Die Volkshochschulen können hierbei auf ihre langjährige Expertise bei der Durchführung von Sprachprüfungen ebenso wie auf ein breites Angebot an Zertifikaten zurückgreifen.
  • Seit Asylbewerber/innen in der Folge der Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (Januar 2014) in begrenztem Umfang ebenfalls Zugang zu Deutschkursen erhalten haben, haben die Volkshochschulen ihr Angebot auch für diese Zielgruppe ausgebaut. Noch im laufenden Jahr werden Sprachkurse für Asylsuchende über das Programm der Landesregierung „Chancen gestalten – Wege der Integration in den Arbeitsmarkt öffnen“ deutlich ausgebaut und gefördert werden. Die Volkshochschulen sind bereits informiert und werden sich in die Netzwerkarbeit der Unteren Aufnahmebehörden einbringen.
  • Über diese konkreten Angebote hinaus beschäftigen sich die Volkshochschulen mit den Themen Willkommenskultur und interkulturelle Kommunikation und setzen die gewonnenen Erkenntnisse durch unterschiedliche Maßnahmen vor Ort um.


Die Volkshochschulen werden auch in Zukunft mit ihren Bildungsangeboten Migrantinnen und Migranten auf ihrem Weg zur gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe unterstützen. Und dies eben nicht nur im sprachlichen Bereich.

Doch darüber hinaus wird auf die Volkshochschulen in den kommenden Jahren die Aufgabe zukommen, die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in der Folge des verstärkten Zuzugs von Flüchtlingen ergeben, zu begleiten. Wir werden immer weniger von einer „Mehrheitsgesellschaft“ sprechen können, in die Zugewanderte „integriert“ werden. Denn bereits jetzt liegt der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in einer Stadt wie Stuttgart bei 38%. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, wie aus einem Einwanderungsland – darüber besteht ja nun in der Zwischenzeit Einigkeit – eine Einwanderungsgesellschaft werden kann. Die Herkunft wird nicht mehr ein per se unterscheidendes oder vereinendes Merkmal von gesellschaftlichen Gruppen sein, sondern lediglich eines unter anderen. Doch dies ist leichter gesagt als gelebt!

Was muss also geschehen, damit eine multi-nationale Gesellschaft funktioniert und wie können nicht zuletzt die Volkshochschulen ihren Beitrag zu diesem Funktionieren leisten?
 

Projekte „Interkulturelle Trainings für Kommunen“ und „Deutschkurse auf B2-Niveau“

Zwischen 2013 und 2015 führte der Volkshochschulverband zwei Projekte durch, die in insgesamt drei Förderphasen vom Europäischen Integrationsfonds und dem Integrationsministerium Baden-Württemberg gefördert wurden. Ein Projekt richtet sich an die Zugewanderten: Sie konnten in Deutschkursen, die über die Integrationskurse hinausgingen, das Kompetenzniveau B2 erreichen und hierfür ein Zertifikat erwerben. Damit wurde die Voraussetzung für eine umfassende Teilhabe in gesellschaftlicher, politischer und beruflicher Hinsicht geschaffen.

Das andere Projekt hatte die Aufnahmegesellschaft im Blick: In Trainings nach dem Lehrgangssystem Xpert Culture Communication Skills® konnten Mitarbeiter- innen und Mitarbeiter von kommunalen Einrichtungen ihre interkulturelle Kommunikationskompetenz schulen und verbessern. Da diese Personen häufig die erste Anlaufstelle für neu Zugewanderte sind, ist es besonders wichtig, dass sie kultursensibel agieren und Integration von Beginn an ermöglichen.

Über alle Förderphasen hinweg konnten in den Projekten mehr als 600 Drittstaatsangehörige an Deutschkursen auf Niveau B2 teilnehmen, mehr als 1500 kommunale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten ein interkulturelles Training.