Willkommenskultur an der Volkshochschule

Autor: Dr. Michael Lesky, Fachreferent Politik – Gesellschaft – Umwelt, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Warum „Willkommenskultur“ an der Volkshochschule? Auf diese Frage gibt es viele Antworten, etwa die Tradition der interkulturellen Bildungsarbeit an der Volkshochschule, die Erfahrung der Volkshochschulen mit Integrationskursen oder die interkulturelle Öffnung der Volkshochschulen. Zwei Antworten sind im alltäglichen Spannungsfeld der Volkshochschule zwischen Wirtschaftlichkeit und Bildungsauftrag zu verorten.

Erstens ein wirtschaftlich motivierter Grund: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Jahr für Jahr kommen viele Menschen nach Deutschland, um hier zu arbeiten und zu leben. Zugewanderten Menschen ist aber die Institution Volkshochschule häufig vollkommen fremd. Wenn die Volkshochschulen auf diese Menschen zugehen und sie als Kunden gewinnen will, muss sie sich öffnen und Willkommenskultur verwirklichen. Ohne diese Menschen werden die Volkshochschulen mit ihren Teilnehmenden altern und einen zunehmend kleineren Teil der Bevölkerung erreichen. Und mit weniger Kunden generieren die Volkshochschulen weniger Einnahmen und bieten weniger Bildung an.

Zweitens ein aus dem bildungspolitischen Auftrag der Volkshochschule motivierter Grund: Um auf Dauer bestehen zu können, benötigt diese Gesellschaft Zuwanderung. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Zuwanderer in Deutschland eine Heimat finden. Dazu müssen sie die Möglichkeit bekommen, die Sprache und die Kultur zu lernen. Und hier bietet die vhs die besten Voraussetzungen: Denn viele Neuzuwanderer kommen auf der Suche nach einem Deutschkurs als erstes an die Volkshochschule. Diese Menschen begegnen an der Volkshochschule nicht nur ihren Kursleitenden und den anderen Teilnehmenden, sondern auch der Einrichtung und den Mitarbeitenden. Diese Chance dürfen die Volkshochschulen nicht verpassen. Sie können sich hier einer der ursprünglichen Aufgaben der Volkshochschule widmen, Menschen auf ihrem Bildungsweg zu begleiten und sie zur kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Teilhabe zu befähigen. Dieses Angebot muss für alle Menschen gelten, die an die vhs kommen.

Doch darf die vhs nicht bei der Art von Willkommenskultur stehen bleiben, die sich primär auf die Zugewanderten konzentriert. Die gesellschaftlichen Veränderungen bringen neue Herausforderungen und neue Unsicherheiten für Bürgerinnen und Bürger. Die Erfolge von Pegida und ähnlichen Bewegungen zeigen die starken Vorbehalte in der Mitte unserer Gesellschaft und beinhalten letztendlich eine Gefährdung unserer demokratischen Grundordnung. Unsicherheiten und Angst entstehen häufig aus dem Gefühl „Alleine gelassen zu werden“ und besonders aus Informationsdefiziten. Hier kann und muss die Volkshochschule ihrem Bildungsauftrag gerecht werden, informieren und die sozialen Räume zum gemeinsamen Lernen schaffen. Denn der ganzheitliche Bildungsansatz der Volkshochschule zielt auf den mündigen Bürger und will das Bewusstsein für politische, geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge schaffen.

Geschäftsstelle und Verband unterstützen die Volkshochschulen auf dem Weg zu mehr Willkommenskultur: neben den Aktivitäten zur interkulturellen Öffnung im Jahr 2013, einem Beratungstag 2014 liegt der Schwerpunkt 2015 darauf, wie die Volkshochschule als Institution Willkommenskultur bieten kann, sei es in den Beratungsleistungen oder etwa in den räumlichen Ausstattungen. Hierzu wurden konkreten Arbeitshilfen erstellt: eine Checkliste zur räumlichen Gestaltung einer vhs, ein Fragebogen für Teilnehmende zum gleichen Thema sowie mehrsprachige Texte, die die Institution „Volkshochschule“ erklären und die Volkshochschulen als Vorlage für ihre Homepages verwenden können.