Interkulturelle Trainings für Kommunen

Autorin: Dr. Julia Gassner, Fachreferentin Kultur - Gestalten, Volkshochschulverband Baden-Württemberg


Erfolgreicher Start des vom Europäischen Integrationsfonds und dem Ministerium für Integration geförderten Projektes

In Baden-Württemberg leben etwa 2,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, d.h. jede/r vierte Einwohner/in hat ausländische Wurzeln. Interkulturelle Begegnungen gehören damit zum Alltag – in Kindergarten und Schule, in Alltag und Berufsleben, in Verwaltungen, Behörden und Vereinen. Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in Städten und Gemeinden sind durch die interkulturelle Einwanderungsgesellschaft besonders gefordert: Für viele neu Zugewanderte ist die öffentliche Verwaltung einer der ersten Kontakte mit dem neuen Wohnort. Gleichzeitig birgt dieser Kontakt Konfliktpotential: Migrantinnen und Migranten haben häufig andere Erfahrungen mit Verwaltungen gemacht und bringen diese Erfahrungen und Vorstellungen mit – der Umgang mit Hierarchien und Macht ist jedoch kulturell sehr unterschiedlich. Auch die Deutschkenntnisse der Zugewanderten einerseits und die Fachtermini der Verwaltung andererseits können zu Schwierigkeiten führen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von kommunalen Verwaltungen und anderen lokalen Einrichtungen wie z. B. Job- Centern, Schulen oder Kindergärten, sind daher die Haupt- Zielgruppe des Projekts „Kulturen integrieren“, das der Volks- hochschulverband Baden-Württemberg in Kooperation mit den Volkshochschulen durchführt. Interkulturelle Kompetenz ist eine Schlüsselqualifikation für Verwaltungskräfte. Eine Verbesserung dieser Kompetenz, die professionellere Bewältigung von interkulturellen Begegnungen, reduziert nicht nur Stress und Belastung bei Mitarbeiter/innen und Kund/innen, sondern führt auch dazu, dass die Verwaltung besser als bürgernahe Dienstleistungseinrichtung wahrgenommen wird.

Denn nicht nur für neu Zugewanderte ist es wichtig, auf interkulturell geschulte Verwaltungsmitarbeiter/innen zu stoßen: Durch den demografischen Wandel wird die künftige Klientel grundsätzlich kulturell vielfältiger, so dass Migrantinnen und Migranten „ganz normale“ Nutzerinnen und Nutzer von Verwaltungen sind. Vielfalt bedeutet, dass Menschen unterschiedlich sind – etwa in Bezug auf den Umgang mit Zeit, das Leben in der Gemeinschaft, das Verständnis von Macht oder die Wertvorstellungen. Inter- kulturelle Kompetenz heißt auch, mit diesen Unterschieden professionell umgehen zu können. Mittel- und langfristig sollen die Trainings aber nicht nur interkulturelle Kompetenz  von Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern verbessern, sondern die interkulturelle Öffnung der Verwaltung insgesamt voranbringen. Auch dazu werden in den Trainings Ansätze erarbeitet.

Zur interkulturellen Öffnung gehört auch, noch eine weitere Komponente des demografischen Wandels zu berücksichtigen: Migrantinnen und Migranten sind nicht nur Kundinnen und Kunden von Verwaltungen – sie sind auch potentielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Interkulturelle Öffnung kann auch bedeuten, Migrantinnen und Migranten auszubilden und zu beschäftigen. Im öffentlichen Dienst ist dies besonders wichtig, da er häufig eine Vorbildfunktion für andere Einrichtungen hat.

 

Kompetenz der Volkshochschulen

Interkulturelle Bildung gehört zur Kernkompetenz der Volkshochschulen in Baden-Württemberg. Ihre interkulturell orientierten Angebote umfassen neben allgemeinbildenden Inhalten wie z. B. Themenwochen zu bestimmten Ländern und Vorträgen zum interkulturellen und interreligiösen Dia- log Sprachkurse in mehr als 40 Sprachen. Volkshochschulen engagieren sich stark bei Integrationskursen: Mehr als die Hälfte aller Integrationskurse in Baden-Württemberg finden an Volkshochschulen statt, 6.000 Menschen beginnen jedes Jahr einen Integrationskurs an einer Volkshochschule. Mit diesem Angebot richten sich Volkshochschulen an diejenigen, die nach Deutschland kommen. Daneben gibt es ein Angebot, das sich an die „Aufnahmegesellschaft“ richtet, gezielt die interkulturelle Kompetenz schult und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Veränderungen sensibilisiert, die sich durch den Zuzug von Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen ergeben: Mit dem Lehrgangssystem Xpert Culture Communication Skills® steht ein Werkzeug zur Verfügung, das an der Universität München zusammen mit dem bayerischen Volkshochschul-Verband entwickelt wurde – ein echtes vhs- Produkt.

Im Unterschied zu anderen interkulturellen Trainings, die eher auf das „richtige“ Verhalten im Ausland vorbereiten, geht das Konzept des Lehrgangssystems Xpert Culture Communication Skills von einer Gesellschaft aus, in der Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenleben. In den Trainings wird eine Kombination aus Fachwissen und sozialen Fertigkeiten vermittelt, mit dem Ziel, dass die Teilnehmenden in interkulturellen Begegnungen angemessen und flexibel reagieren und letztlich ihren Berufsalltag besser meistern können. Mit dieser Sensibilisierung für interkulturelle Zusammenhänge legen die Trainings den Grundstein für eine interkulturelle Öffnung.

 

Präsenz- und Online-Phasen

Rund 30 Volkshochschulen sind an dem Projekt „Kulturen integrieren“ beteiligt. Dadurch wird gewährleistet, dass die Trainings flächendeckend in ganz Baden-Württemberg durchgeführt werden können, auch in kleineren Kommunen. Bei der Gestaltung der Trainings gehen die Volkshochschulen auf die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein: Interkulturelle Erfahrungen, mögliche Konflikte und Probleme werden vorab abgefragt und in den Trainings wieder aufgegriffen, so dass Praxis- und Alltagsorientierung im Mittelpunkt stehen. Die zertifizierten Trainerinnen und Trainer arbeiten mit vielfältigen didaktischen Methoden: von Werbekampagnen bis zu Sprichwörtern werden die verschiedensten Materialien genutzt, um Konzepte von Kultur, Fremdheit und Identität zu veranschaulichen und erfahrbar zu machen. Auch bezüglich der Zeiten und Räume sind die Trainings flexibel; die 16 Unterrichtseinheiten eines Moduls können an zwei aufeinander folgenden Tagen oder auch mit etwas zeitlichem Abstand absolviert werden, Räume können von der Volkshochschule oder dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich zu den Präsenztrainings können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf einer Online-Lernplattform Übungen bearbeiten und in Foren diskutieren. Erfahrungen in einem Pilotprojekt haben gezeigt, dass diese Möglichkeit sehr gerne genutzt wird und den Lernerfolg steigert: Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Pilotkurses hatten den Eindruck, sich durch die zusätzlichen Online-Phasen intensiver mit dem Thema zu befassen als in vergleichbaren Präsenzkursen. Die Lernplattform wird vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt. Die Trainings sind damit auch ein Referenzprojekt für Innovative Weiterbildungsangebote im Rahmen des Bündnisses für Lebenslanges Lernen.

 

Interkulturelle Kompetenz und Interkulturelle Öffnung

Interkulturelle Kompetenz ist eine individuelle Fähigkeit, die z. B. Empathie, Ambiguitätstoleranz, Konfliktfähigkeit, aktives Zuhören und Beobachtungsgabe umfasst. Interkulturelle Öffnung dagegen ist ein Prozess der Organisationsentwicklung, der zum Ziel hat, die Zugangsbarrieren zu einer Organisation für Migrantinnen und Migranten zu senken. Interkulturelle Öffnung setzt interkulturelle Kompetenz voraus.

 

Über das Projekt

Das Projekt „Kulturen integrieren – Initiative zur inter- kulturellen Öffnung baden-württembergischer Kommunen“ wird vom Europäischen Integrationsfonds sowie vom Ministerium für Integration Baden-Württemberg gefördert. Der Volkshochschulverband führt es in Kooperation mit den Volkshochschulen durch. Das Projekt umfasst 50 Trainings, die auf der Grundlage des Lehrgangssystems Xpert Culture Communication Skills® durchgeführt werden. Kommunen können maßgeschneiderte Trainings für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem stark vergünstigten Preis buchen. Auch offene Trainings für Mitarbeiter/innen verschiedener Träger sind möglich. Ziel ist die Sensibilisierung der Teilnehmenden für interkulturelle Aspekte, die Verbesserung ihrer interkulturellen Kommunikationskompetenz und die Entwicklung von Strategien für die interkulturelle Öffnung der Einrichtung.