Die Zukunft der Volkshochschulen – Sieben Thesen zur Zukunftsfähigkeit der Volkshochschulen in Baden-Württemberg

Autor: Dr. Hermann Huba, Verbandsdirektor des Volkshochschulverbandes Baden-Württemberg bis Dezember 2020 

2017 wird der Volkshochschulverband Baden- Württemberg 70 Jahre alt. Grund genug für 7 Thesen zur Zukunftsfähigkeit der Volkshochschulen in Baden- Württemberg.

I. Lebensbegleitendes Lernen ist die notwendige Reaktion auf den zunehmenden Verlust normativer Gewissheiten, der es erforderlich macht, sich immer öfter lernend auf Veränderungen einzustellen.

II. Als größte im örtlichen Gemeinwesen verankerte Einrichtung der Bildung, Beratung und Begegnung ist die Volkshochschule elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge.

III. „vhs“ ist das Markenzeichen für allgemeine Bildung in der und für die soziale Demokratie: Die Volkshochschule schließt niemanden aus (soziale Inklusion) und sie macht die (hochspezialisierte) Gesellschaft allgemeinverständlich.

IV. Die Volkshochschule orientiert die Inhalte ihres ganzheitlichen Programms und die Vielfalt der Methoden seiner Vermittlung gleichermaßen an den Bedürfnissen der Einzelnen wie an den gesellschaftlichen Bedarfen.

V. Die Volkshochschule ist parteipolitisch und weltanschaulich neutral und gerade deshalb besonders geeignet zur Diskussion kontroverser Themen und zur Stärkung der Urteilskraft als demokratische Schlüsselkompetenzen.

VI. Die Volkshochschule ist Spezialistin für gemeinsames Lernen in der sozialen Gruppe, öffnet sich aber auch für andere, insbesondere digitale Lernwelten.

VII. Die baden-württembergischen Volkshochschulen stehen für Qualität und Professionalität. Sie haben sich in „vhs 2022“ verpflichtet:

  • zur formellen und systematischen Qualitätsentwicklung einschließlich Zertifizierung nach anerkannten Verfahren,
  • zu einem umfassenden Programmangebot, erforderlichenfalls hergestellt durch regionale Verbundstrukturen und
  • zur hauptamtlichen Verantwortung ihrer Arbeit.

 

Zu These I: Lernend für die Zukunft gerüstet

Der gesellschaftlichen Herausforderungen und Megatrends (These IV: gesellschaftliche Bedarfe) gibt es viele. Die allgemein bewussten Stichwörter reichen von der Globalisierung und Individualisierung über die Digitalisierung bis zur Demographischen Entwicklung.

Weniger bewusst, aber nicht weniger herausfordernd ist die zunehmende Spezialisierung in unserer Gesellschaft, die zwar einerseits Motor unseres Erfolges ist, andererseits aber immer drängender die Frage nach der allgemeinen Verständlichkeit unseres Gemeinwesens aufwirft.

Von besonderer politischer Bedeutung sind derzeit die beiden gesellschaftlichen Herausforderungen der Integration und der Entwicklung Europas.

Beide verbindet darüber hinaus eine exemplarische Grundtendenz unserer gesellschaftlichen Entwicklung: Nämlich die Tendenz, dass vertraute normative Muster an Zukunftsfähigkeit verlieren. Beim Thema „Flüchtlinge/Zuwanderung/Integration“ ist es das Konzept der kulturellen Dominanz, das sich nicht mehr aufrechterhalten lässt. Beim Thema Europa ist es das Konzept der Nationalstaatlichkeit. Ob es uns gefällt oder nicht: Wir müssen uns von normativen Gewissheiten zunehmend verabschieden, um uns lernend auf Veränderungen einzustellen.

Wegen dieser Erosion des Normativen gelingt es unserer modernen Gesellschaft immer weniger, die Ungewissheit der Zukunft normativ zu bannen. Frühe Gesellschaften schafften das durch Magie, spätere durch Religion. Seit der Aufklärung müssen wir es kognitiv versuchen: mit Bildung. Sicherheit verschafft uns immer weniger die Option, unsere Erwartungen kontrafaktisch aufrechtzuerhalten. Deshalb suchen wir Sicherheit in der eingeübten Bereitschaft und Fähigkeit, unsere Erwartungen und unser Verhalten den Gegebenheiten anzupassen. Das ist der Sinn der Rede vom lebenslangen, besser: lebensbegleitenden Lernen. Lebensbegleitendes Lernen ist gleichsam die noch neue Hoffnung der Gesellschaft, für die Zukunft gerüstet zu sein. In diesem Sinne leben wir in postnormativen Zeiten (These I). Ob auch in postfaktischen kann hier dahinstehen.

 

Zu These II: Begegnung schafft Verbundenheit

Für eine Weiterbildungseinrichtung wie die Volkshochschule bietet „Zukunftssicherung durch Bildung“ eine blendende Perspektive. Hinzu kommt die steigende Bedeutung realer Begegnung. Unser bisheriger Weg der Globalisierung zeigt, wie sehr die Ausdehnung der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Räume ein komplementäres Bedürfnis der Menschen nach überschaubaren Einheiten weckt. Deshalb ist unsere Gesellschaft auf bergende Kommunalität, um nicht zu sagen: auf kommunale Geborgenheit angewiesen.

Bergende Kommunalität und kommunale Geborgenheit haben indessen eine gemeinsame Voraussetzung: Die Fähigkeit der Menschen zur realen, nicht nur virtuellen, konkreten Begegnung. Denn Begegnung schafft Verbindung und Verbundenheit.

Ähnliches lehrt die demografische Entwicklung. Unsere Gesellschaft wird in den kommenden Jahrzehnten kleiner und älter und sie wird – durch Zuwanderung – bunter.

Aufgrund der niedrigen Geburtenrate ist die Notwendigkeit erheblich steigender Unterstützungsleistungen der schrumpfenden und alternden mittleren Generation, also der Erwerbsbevölkerung, an die wachsende ältere Generation absehbar. Diese Notwendigkeit erfordert zuallererst wachsendes Verständnis zwischen den Generationen und deshalb eine deutliche Verbesserung des intergenerationellen Dialogs und der intergenerationellen Begegnung.

Und wie drängend interkulturelle Dialoge und interkulturelle Begegnungen sind, bedarf spätestens seit Sommer 2015 keiner aufwendigen Begründung mehr.

Bildung und Begegnung sowie die beide unterstützende Beratung sind für das örtliche Gemeinwesen demnach von grundlegender, elementarer, um nicht zu sagen existentieller Bedeutung (These II). Deshalb müssen die entsprechenden Angebote der Volkshochschulen professionell erarbeitet und ihre Qualität hauptamtlich verantwortet werden (These VII).

 

Zu These III: Spezialwissen allgemeinverständlich machen

Für ein Gemeinwesen, das sich selbst als soziale Demokratie beschreibt, ist der prinzipielle Ausschluss einzelner Bevölkerungsgruppen oder Milieus keine Option, vielmehr ist soziale Inklusion geboten. Dazugehören zu können setzt aber mindestens voraus, dass man die Gesellschaft im Großen und Ganzen versteht und sich mit ihren Teilen verständigen kann.

Der Motor unserer rasanten gesellschaftlichen Entwicklung in den letzten gut 200 Jahren ist indessen das Prinzip der aufgabenorientierten Spezialisierung. Während sich das Alte Reich in Schichten gliederte, ist die moderne Gesellschaft nach Funktionen gegliedert, also nach Aufgaben. Die Wissenschaft ist für die Wahrheit zuständig, die Wirtschaft für den Wohlstand, die Politik für allgemeinverbindliche Entscheidungen, das Rechtssystem für die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht, die Familie für Liebe usw. Diese Spezialisierung auf einzelne Aufgaben lässt die sogenannten westlichen Gesellschaften sich sehr viel schneller entwickeln als andere, nicht funktional differenzierte.

Mit dem Prinzip der (aufgabenorientierten) Spezialisierung ist unsere Gesellschaft strukturell auf Höchstleistung getrimmt. Das macht sie so erfolgreich, aber auch so anstrengend und so schwer verständlich. Wir alle verfügen nur in einem engen Bereich über spezielles Wissen und über spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten. Auf allen anderen Feldern sind wir blutige Laien, die mit den Entwicklungen in den einzelnen gesellschaftlichen Teilbereichen kaum mithalten können. Deshalb bedürfen wir auch zukünftig mit noch steigender Dringlichkeit einer Bildungseinrichtung, die (wissenschaftliches) Spezialwissen ebenso wie eine höchst anspruchsvolle Kunst und Kultur in unser aller Verständnishorizont übersetzt, das heißt allgemeinverständlich macht (These III).

 

Autoren: Dr. Bernd Arnold, Dr. Julia Gassner, Martina Haas, Dr. Michael Lesky, Fachreferenten, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Volkshochschule als Ort des sozialen Lernens

„Offenheit ist Prinzip und Merkmal der Volkshoch- schularbeit: Volkshochschulen sind offen für Menschen aller sozialen Schichten und Einkommensgruppen, aller Milieus und Kulturen, für Menschen mit und ohne Behinderungen…“1.

Diese Offenheit der Volkshochschule bürgt für ihre Zukunftsfähigkeit, denn nur so kann die Volkshoch- schule in einer immer differenzierteren Gesellschaft ihrem Bildungsanspruch gerecht werden und Bildung für alle anbieten. So vielfältig wie die Gesellschaft sind auch die Methoden und Wege der Umsetzung: Grundbildung legt die Grundlagen, Allgemeinbildung zielt auf den mündigen und kritischen Bürger, inklusive Bildung und die Angebote im Feld der Integration erleichtern Zugänge für benachteiligte Gruppen und fördern deren gleichberechtigte Aufnahme in die Gesellschaft. Die Angebote der Volkshochschulen stärken so den Menschen, befähigen zur kritischen Teilhabe an der Gesellschaft und leisten einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

1 Aus: „Die Volkshochschule – Bildung in öffentlicher Verantwortung“ (2011)


► Grundbildung / Alphabetisierung

Bildungsungewohnte Menschen sind oft auch Menschen, deren Bildungsbiografie von Brüchen geprägt ist. Für sie ist es nicht selbstverständlich, Bildungsangebote zu nutzen. Grundbildung dient dazu, Interesse an Bildung zu wecken und damit die Voraussetzung für Weiterbildung zu schaffen.

Grundbildung nimmt den ganzen Menschen in den Blick. Ihr Ziel ist also nicht nur die Ermöglichung und Förderung der beruflichen, sondern auch der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Teilhabe. Der Einzelne soll dazu befähigt werden, Zusammenhänge zu erfassen, Beziehungen aufzunehmen und zu gestalten, selbstbestimmt zu handeln und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

 

► Allgemeinbildung

Allgemeinbildung ist eine, wenn nicht die entscheidende Kompetenz für die Zukunft: Da wir nicht wissen, welche speziellen Kompetenzen und Kenntnisse in der Zukunft nötig sein werden, ist eine umfassende Kompetenz erforderlich.

Diese Meta-Kompetenz kann man als Allgemeinbildung bezeichnen: eine ganzheitliche Bildung, die intellektuelle, emotionale und soziale Kompetenzen ebenso umfasst wie ästhetische, musische, kulturelle und inter- bzw. transkulturelle. Allgemeinbildung in diesem umfassenden Sinn vermitteln nur die Volkshochschulen. Nur sie bieten das breite Spektrum an Allgemeinbildung an, das unsere zunehmend differenzierte Gesellschaft benötigt. Die allgemeinbildenden Angebote der Volkshochschulen vermitteln etwa die Fähigkeit zur Orientierung in der Informationsflut, sowohl mit kognitiven Strategien als auch durch die Handhabung moderner Technik. Sie erweitern die Kommunikationskompetenz der Teilnehmenden, auch über geografische und kulturelle Grenzen hinweg und schaffen Bewusstsein für politische, geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge. In Allgemeinbildungsangeboten können Menschen die Fähigkeit zu kritischer Distanznahme lernen und ihre Urteilskraft schärfen.

Damit dient Allgemeinbildung, wie sie die Volkshoch- schulen anbieten, der individuellen Entfaltung, der gesellschaftlichen Mitwirkung und bildet Fundament und Rahmen unseres Spezialwissens.

 

► Integration

Durch ihr umfassendes Engagement im Bereich der Integration leisten die Volkshochschulen einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft. Dieser anspruchsvolle Bildungsauftrag richtet sich gleichermaßen an Zugewanderte wie auch an die Menschen, denen die Kommenden begegnen: Migrantinnen und Migranten erwerben in den Kursen der Volkshochschulen nicht nur die deutsche Sprache, sondern erleben in den Häusern der Volkshochschulen einen Ort der Begegnung mit anderen Menschen ebenso wie mit dem Wertesystem, das der sie aufnehmenden Gesellschaft zugrunde liegt. Allen anderen bietet die Volkshochschule in vielfältiger Form die Gelegenheit, die Kompetenzen zu erwerben, die es ermöglichen, den Reichtum fremder Kulturen kennen und schätzen zu lernen.

 

Inklusive Bildung

Inklusive Bildung bedeutet eine zunehmende Ausrichtung der Erwachsenenbildung auf heterogene Lerngruppen unter Einschluss von Menschen mit Behinderungen. Die traditionelle Zielgruppenarbeit wird ersetzt durch Programme, die besondere Bedürfnisse der Kommunikation, des Lerntempos und der medialen bzw. persönlichen Unterstützung berücksichtigen. Deutlich wird das nicht zuletzt bei speziellen Angeboten für Menschen mit (geistiger) Behinderung, die heute von den Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung oft als „Kurse für Menschen mit Lernschwierigkeiten“, als „Programm in Leichter Sprache“, als „Lernen mit Muße“, „Lernen Schritt für Schritt“ oder als „barrierefreies Lernen“ ausgeschrieben werden. Diese inklusiven Angebote sind für alle Menschen – auch ohne offiziell anerkannte Behinderung – offen. Volkshochschulen verwirklichen so den eingangs erwähnten Anspruch der Offenheit, denn niemand darf aufgrund sozialer oder ethnischer Herkunft, aufgrund früheren Scheiterns oder wegen einer Behinderung vom Lebenslangen Lernen ausgeschlossen sein.

Dieser Grundsatz ist nicht nur Bestandteil des traditionellen Selbstverständnisses von Volkshochschularbeit, er ist längst auch als entscheidend für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft erkannt worden.

 

Berufliche Bildung findet abteilungsübergreifend statt

Für die Entwicklung der persönlichen Identität sowie für die gesellschaftliche Teilhabe ist die berufliche Bildung von herausragender Bedeutung. An den Volkshochschulen erwerben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wertvolle Kompetenzen, die sie sofort oder später einsetzen und erweitern können. Die meisten dieser Kompetenzen sind sowohl privat als auch beruflich eine Bereicherung. „Es gibt keine Schublade, die berufliche Weiterbildung enthält, und eine andere mit allgemeiner Weiterbildung“, so Verbandsdirektor Dr. Hermann Huba: „Die Person ist unteilbar.“ So findet in rund zwei Dritteln aller vhs-Kurse Weiterbildung statt, die deutlich beruflich orientiert und motiviert ist. Über alle Programmbereiche hinweg decken die Volkshochschulen mit ihren leistungsstarken Angeboten viele Facetten des beruflichen Alltags ab: Das setzt bei Kompetenzen wie Lernfähigkeit, Sprachkenntnissen, Medienkompetenzen an und reicht bis zu abschlussbezogenen Qualifizierungslehrgängen – wie das kaufmännische und betriebswirtschaftliche Kurs- und Zertifikatssystem Xpert Business (XB), das der vhs-Verband Baden-Württemberg für die rund 900 Volkshochschulen in Deutschland verantwortet. Veranstaltungen zu Querschnittsthemen, die beruf- liche und persönliche Kompetenzen stärken, wie Kommunikation, Präsentation, Kreativität oder Gesundheitsmanagement, runden das Weiterbildungsprogramm ab. Beruflich orientierte Weiterbildung an den Volkshochschulen umfasst aber nicht nur inhaltlich eine breite Palette, auch der Grad der Vertiefung reicht von Grundbildung bis zu anerkannten XB-Zertifikaten, die von Hochschulen direkt als Studienleistung angerechnet werden. Programmbereichsübergreifend arbeiten die Volkshochschulen ganz selbstverständlich bei Auftragsmaßnahmen, beispielsweise für Kommunen, Firmen, Bundesagentur für Arbeit und BAMF. Das programmbereichsübergreifende Arbeiten ist eine Stärke der Volkshochschulen – gemeinsam sind Volkshochschulen und Verband damit für mehr Bildung erfolgreich.

 

Autor: Dr. Hermann Huba

Zu These III: Megatrends

Es ist weder falsch noch widersprüchlich, wenn sich Volkshochschulen nicht nur an den Weiterbildungsbedürfnissen, Weiterbildungsvoraussetzungen und Weiterbildungsinteressen ihrer Teilnehmenden orientieren, sondern auch an gesamtgesellschaftlichen Anforderungen an die Menschen. Denn in einem demokratischen Gemein- wesen sind gesellschaftliche Bedarfe nichts anderes als gebündelte individuelle Bedürfnisse (These IV). Zwischen dem Programm „Volkshochschulen für Europa“ und dem Konzept „Volkshochschulen für die Menschen“ (Günther Dohmen) besteht ebenso wenig ein Gegensatz wie die Unterscheidung zwischen Europa und den Menschen sinnvoll ist.

 

Autoren: Dr. Julia Gassner, Dr. Michael Lesky, Vera Mühlbauer

Tiefenströmungen der Gesellschaft und Entwicklungsfelder für die Volkshochschulen

Die Kaffeehaus-Kette, die in jeder Stadt und in jedem Land gleich aussieht. Die Quiz-Show, die in 22 nationalen Varianten ausgestrahlt wird. Oder auch das Möbelhaus, das die weltweit gleichen Möbel mit Katalogen bewirbt, die auf kulturelle Besonderheiten abgestimmt sind. All diese Phänomene sind Ausdruck eines Megatrends: der Globalisierung. Megatrends sind keine zukünftigen Entwicklungen – sie sind bereits da und manifestieren sich in so genannten Trendphänomenen.

Diese Megatrends prägen die Gesellschaft nachhaltig und für mehrere Jahrzehnte. Für Volkshochschulen geben die Megatrends daher – neben anderen Faktoren wie etwa der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung vor Ort – wichtige Hinweise für Programmplanung. Sie bieten einen guten Anhaltspunkt, um über neue Themen, Formate und Services nachzudenken und die Angebote den sich ändernden gesellschaftlichen Bedarfen anzupassen (These IV).

Im Rahmen der Initiative „vhs der Zukunft“ hat die Geschäftsstelle des vhs-Verbandes drei Megatrends identifiziert, die für die Arbeit der Volkshochschulen besonderes Zukunftspotential bieten: „Gesundheit“, „Silver Society“, und „Neues Lernen“ (vgl. These VI: digitale Lernwelten).

 

Megatrend Gesundheit

Leben bedeutet bereits gesundes Leben. Gesundheit wird dabei als Lebenssinn und Lebensstil, als Schlüsselressource der Zukunft verstanden. Der Gesundheitstrend ist weltweit zu beobachten. Menschen möchten überall länger gesund leben. Zudem kündigt sich ein Perspektivenwechsel an: Ein ganzheitlicher Blick auf die Gesundheit, der nicht beim Menschen, seinen Konstitutionen und Verhalten endet, sondern als komplexes Wirkungsnetz auch Gesellschaft und Umwelt mit einfließen lässt.2

Mit dem Gesundheitstrend wächst der Gesundheitsmarkt. Dieser hat nicht nur volkswirtschaftliche Relevanz. Innovative Gesundheitsdienstleistungen werden lokal und regional unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Daseinsvorsorge sein. Nach Aussage der Trendforschung wird der Markt an Präventions- und Gesundheitsförderungsangeboten zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen.3 Die Gesundheit bleibt somit als Megatrend in unserer Gesellschaft bestehen und der Stellenwert wird weiter wachsen.

 

2    ZukunftsInstitut GmbH (Hrsg.), Health Trends, gesundes Leben in der Zukunft (2016)

3    https://www.zukunftsinstitut.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/ Auftragsstudien/HEAG-2040-zukunftsstudie_2.pdf (Zugriff am 7.8.2017)

 

Volkshochschulen sollten folgende Trendphänomene im Gesundheitsbereich in den Blick nehmen:

 

Zeitlich flexible Angebote

Menschen sind in der heutigen Zeit gewohnt, Dienstleistungen rund um die Uhr abzurufen. Es gilt zu überlegen, in welchem Rahmen eine zeitliche Flexibilisierung möglich ist, gleichzeitig aber die Qualität der Angebote zu erhalten. Wo können beispielsweise Onlineangebote den Gesundheitsbereich bereichern, wo sind die Grenzen, um den Anspruch der Gesundheitsbildung zu gewährleisten?

 

► Settingansatz und betriebliche Gesundheitsförderung

Gesellschaftspolitisch wird die Gesundheitsförderung im Setting (Lebensumfeld) vorangetrieben. Das Ziel ist, diejenigen Menschen mit Maßnahmen der Gesundheitsförderung in ihren Settings zu erreichen, die durch Angebote der Individualprävention nicht angesprochen werden. Die Entwicklung geht in Richtung nachfrageorientierter Angebote, die vornehmlich mit Kooperationspartnern möglich sind. Mit deren Hilfe können Verbindungen den Lebensumfeldern der Menschen hergestellt werden. Auch im Setting „Betrieb“ nimmt die gesundheitliche Förderung der Mitarbeitenden einen immer größeren Stellenwert ein. Unternehmen der Zukunft achten auf die körperliche und psycho-soziale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden. Arbeits- und Gesundheitsschutz entwickelt sich von der Vermeidung gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen hin zu einer gesundheitsfördernden Umgebung.

 

Gesundheit und Silver Society

Ziel der Gesundheitsbildung für die ältere Generation ist, möglichst lange die selbstständige Lebensführung und eine gute Lebensqualität zu erhalten. Darüber hin- aus sollen Begegnung gefördert und der Vereinsamung entgegengewirkt werden. Besonders im hohen Alter sind Angebote im Setting ein geeigneter Ansatzpunkt, um diese Menschen zu erreichen.

 

► Digitalisierung – E-Health

Die Digitalisierung gewinnt in allen gesellschaftlichen Bereichen an Bedeutung und hat damit auch Einfluss auf die Gesundheit des Menschen: Die Digitalisierung erweitert die Möglichkeiten, die Gesundheit zu managen und zu verbessern. Gleichzeitig wirkt sie sich aber auch als Einflussfaktor auf den Gesundheitszustand des Menschen aus (z. B. Bildschirmarbeitsplätze, Medienkonsum usw.). Die digitale Welt ist Teil des Alltags und verändert das Denken und Handeln. Durch die Digitalisierung entstehen Daten über das konkrete Verhalten der Menschen. Health Tracker ermöglichen es den Menschen, eigenständig ihren Gesundheitszustand zu erfassen und zu analysieren. Jüngere Generationen absolvieren und dokumentieren schon heute ihr Bewegungsprogramm mit Apps und teilen die Aufzeichnungen in den sozialen Netzwerken. Die Entwicklung gilt es auch kritisch mit Themen wie Datenschutz, Umgang und Grenzen der Digitalisierung zu begleiten.

 

► Lebensqualität – Entschleunigung

„Besser statt mehr“ lautet eine neue Kultur der Lebensqualität. Menschen suchen nach Entschleunigung, was zur Burn-Out-Prävention beiträgt und damit einem steigenden Gesundheitsrisiko entgegenwirkt. Unterstützt wird dies durch Angebote zur Beförderung der Selbstwirksamkeit und Unterstützung zu mehr Autonomie und Selbstbestimmung.

 

► Megatrend Silver Society

Im Jahr 2049 werden 40 % der Deutschen 60 Jahre oder älter sein. Die Alterung wird unsere Welt tiefgreifend verändern. Aus einem bisher eindeutig defizitär eingeschätzten Zustand wird eine Zeit voller neuer Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Alte Menschen werden freiwillig viel länger viel aktiv bleiben.4 Und die Älteren werden wichtiger für die Gesellschaft, denn „ihre Lebenserfahrung prädestiniert sie dafür, eine Klammer zu bilden, die unsere Gesellschaft im Wandel zusammenhält.“5 Die Idee des lebenslangen Lernens ist dabei in das Leben umgesetzte Realität: Geistige Vitalität und der Wunsch, den Wissens- und Erfahrungshorizont auch im Alter zu erweitern, sind bei Menschen ab 65 heute ausgeprägter als je zuvor.

 

 4    https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/silver-society-die-neue- alterskultur/

5    https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/ staatssekretaer-josef-hecken---der-demografische-wandel-ist- eine-gesellschaftspolitische-chance-/78016

 

Der Megatrend Silver Society zeigt sich in diesen Trendphänomenen:

 

Fachkräfte-Mangel – Silver-Preneure – Lebenslanges Lernen

Vielfältige Veränderungen erfordern ein ständiges Dazulernen auf allen Gebieten – und zwar das ganze Leben lang. Seniorinnen und Senioren sind sehr aktiv und unterscheiden sich kaum von den „normalen“ Erwerbstätigen – mit dem kleinen Unterschied, dass sie ihre Arbeit mit Erfahrung und Gelassenheit machen. Ihre gestiegene Zeitsouveränität ermöglicht ihnen einen umfassenderen Blick auf die Welt und Themen rund um Gesellschaft, Politik und Technik. Arbeiten (auch ehrenamtlich) ist für sie Teilhabe an der Welt und sozialen Zusammenhängen.

 

Un-Ruhestand – Health Style – Selfness

Im Alter mobil sein, Sport treiben, Kultur teilhaben, konsumieren und arbeiten wird normal. Dabei genießen Senior/inn/en mit Qualität und gehen gelassen ihren Aktivitäten nach. Alltags-, Mode und Gegenwartsprodukte fokussieren den Megatrend Gesundheit aus der Stil- und Hipness-Perspektive. Selfness bedeutet, dass der Wunsch nach Selbstveränderung, Selbstkompetenz und Selbstverwirklichung einen authentischen und ausbalancierten Umgang mit dem eigenen Selbst und eine psychologische Optimierung erfordert.

 

E-Health –Ambient-Assisted-Living – Smart-Senior-Services

Mobile Internettechnologie spielt bei der medizinischen Betreuung und Selbstkontrolle eine immer größere Rolle. Es gibt zunehmend mehr Methoden und Technologien, die älteren Menschen einen sicheren, sorgenfreien Alltag ermöglichen. Die damit verbundenen Dienstleistungen müssen sich an den Bedürfnissen orientieren. Anstelle von High-Tech- Bedienungsanleitungen gibt es beispielweise einfache schriftliche Erklärungen.

 

Ageless Consuming – Downaging

Im Konsumverhalten ist Alter kein Begriff mehr und Konsumverhalten ist entkoppelt vom Alter: Auch 80-jährige nutzen ganz selbstverständlich ihr Smartphone. Das subjektiv empfundene „Eigenalter“ wird geringer. Die über 60-jährigen sind lernfreudiger, neugieriger, gesünder, aktiver und konsumfreudiger denn je. Erst ab 70 Jahren gilt ein Mensch in Deutschland heute als alt.

 

Folgerungen für die Volkshochschularbeit

Die Vielfalt der Lebensalter und Bildungsaktivitäten ist bei den Älteren noch größer als bei jüngeren Altersgruppen. Deshalb sollte die Volkshochschule ein vielfältiges Angebot vorhalten, aktive Senior/inn/- en ansprechen und als Kursleitungen gewinnen. Durch Kooperationen (z. B. mit dem Kreis- oder Stadtseniorenrat, mit Seniorentreffs, -wohnanlagen und Begegnungsstätten) können neue Zielgruppen definiert sowie neue potenzielle Teilnehmende (aktive Ältere) gewonnen werden. Die Volkshochschule muss den gesellschaftlichen Wandel hin zur Silver Society begleiten und die alternde Gesellschaft thematisieren. Das beinhaltet auch die Information und die Schulung jüngerer Generationen (die zukünftigen Alten ansprechen (50+)!), die mit den älteren Menschen leben (werden).

 

Autor: Dr. Michael Lesky

Zu These V: Demokratie muss gelernt werden!

Demokratie muss immer wieder neu gelernt werden, sie ist weder angeboren noch Naturgesetz. Deshalb bedarf es einer politischen Bildung, die über das Tages- geschehen hinaus zu politischen Zusammenhängen und Hintergründen informiert. Denn mit diesem Wissen fördert sie das Verstehen, wie Demokratie funktioniert. Politische Bildung ist der absoluten Neutralität verpflichtet, sie orientiert sich am Beutelsbacher Konsens, der mit dem Überwältigungsverbot, dem Gebot der Kontroversität und der Teilnehmendenorientierung diese Neutralität gewährleistet. Politische Bildung thematisiert im Rahmen der Neutralität Grundwerte und Prinzipien, wirbt für Solidarität und Fairness, Zivilcourage und Toleranz. Sie entlarvt aber auch zu einfache „Wahrheiten“ und erneuert auf diese Weise täglich die Fundamente unserer Demokratie.

Zudem informiert politische Bildung – im Verbund mit Wissenschaft, Vereinen und Verbänden – über politische Strukturen, Prozesse und Interessen und dient als ein Scharnier zwischen Bürgern und Bürgerinnen und der Politik. Sie schafft Räume für die persönliche Begegnung, indem sie Menschen dazu einlädt, auch außerhalb von Parteien und Verbänden zusammenzufinden und sich über politische Themen auszutauschen. Im direkten Kontakt zu Politikerinnen und Politikern schafft politische Bildung eine Brücke, die eine rein mediale Vermittlung von Politik nicht bieten kann. Und sie vermittelt, was hinter dem „Streit“ in der Politik steht, den Medien gerne aufgreifen und mitunter überhöhen. Sie informiert jenseits parteipolitischer Sichtweisen.

Zunehmend komplexere Wirklichkeiten, die Globalisierung, Internet und Veränderungen der Arbeitswelt mit sich bringen, verunsichern die Menschen und ihre Haltung zum Gemeinwesen. Hier öffnet politische Bildung den Blick für das Ganze, stellt schwierige Zusammen- hänge verständlich dar, verengt diese nicht auf eingeschränkte Sichtweisen und zeigt gesellschaftspolitische Handlungsräume auf. Mit dem Sinn und dem Blick auf das Ganze ist ein Mensch in der Lage, sich ein eigenständiges, sachlich begründetes Urteil zu bilden, eigenverantwortlich zu handeln und Verantwortung für andere zu übernehmen. So vermittelt politische Bildung Kompetenzen, die die Gesellschaft zur Bewältigung der politischen Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft benötigt. Politische Bildung ist deshalb unabdingbarer Bestandteil einer umfassenden und ganzheitlichen Allgemeinbildung (vgl. Kapitel „Allgemeinbildung“ zu These III).

Politische Bildung vermittelt Kompetenzen und Werte: Sie trägt dazu bei, Defizite in der Vermittlung demokratischer und gesellschaftlicher Werte zu verringern. Sie erreicht und stärkt Menschen, die sich Gewalt- und Vereinzelungstendenzen in der Gesellschaft engagiert entgegenstellen. Sie vermittelt das technische „Handwerkszeug“ und befähigt politisch Aktive, nachhaltige Konzepte zu entwickeln und diese den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln. Damit trägt sie in hohem Maße zum Zusammenhalt der modernen Gesellschaft bei, die von schnell wechselnden Lebenslagen, individuellen Interessen und sozialen Zugehörigkeiten geprägt ist.

Der durch politische Bildung „informierte Laie“ ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Politik und Gesellschaft: Politische Bildung sensibilisiert für politische, wirtschaftliche und soziale Themen, sie weckt politisches Interesse und fördert damit das politische Engagement. Politisch informierte Bürgerinnen und Bürger sorgen in vielfältigen Funktionen dafür, dass Kontakt und Gesprächsfaden zwischen Politik und Gesellschaft nicht abreißen.

Volkshochschulen verfügen wie kaum eine andere Bildungseinrichtung über Zugänge und Möglichkeiten einer an den Teilnehmenden orientierten Angebotsgestaltung, die für eine bürgernahe politische und gesellschaftliche Bildung essenziell ist. Diese Arbeit benötigt entsprechende Strukturen, professionelle Mitarbeitende, geeignete Räume und eine langfristige Ressourcensicherung, um nachhaltig und verlässlich wirken zu können. Nur so sind die Volkshochschulen in der Lage, mit ihrem politischen Bildungsangebot auf aktuelle gesellschaftliche Anforderungen zu reagieren, das Verständnis für soziale und politische Prozesse und Zusammenhänge zu verbessern und ihrem Anspruch gerecht zu werden, über Bildung gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

 

Autorin: Dr. Julia Gassner

Zu These VI: Digitale Lernmöglichkeiten nutzen – Lernwelten erweitern

Lernen findet überall statt – nicht nur im Seminarraum an der Volkshochschule. Was eigentlich schon immer galt, wird durch die Digitalisierung nun ganz praktisch umgesetzt: Ausgestattet mit Laptop, Tablet oder Smartphone (und Internetzugang) können Menschen fast jeden beliebigen Inhalt an jedem Ort und zu jeder Zeit lernen.

 

Vorteile von digitalen Medien im Unterricht

Die räumlichen, zeitlichen und methodischen Erweiterungsmöglichkeiten des Lernens durch digitale Medien nutzen Volkshochschulen auf vielerlei Weise (These VI: Öffnung für digitale Lernwelten): Zum Beispiel werden namhafte Referentinnen und Referenten aus aller Welt per Webkonferenz in die vhs zugeschaltet. Oder Teilnehmer/innen, die aus beruflichen oder privaten Gründen nicht regelmäßig zum Präsenzunterricht kommen können, bleiben über eine Online-Lernplattform auf dem Laufenden. Und Kurse zu Spezialthemen werden in Form von Webinaren angeboten, an denen Interessierte aus Volkshochschulen bundesweit teilnehmen.

Mit solchen digital ergänzten Lernangeboten greifen die Volkshochschulen einerseits veränderte Lerngewohnheiten und Ansprüche ihrer Teilnehmenden auf, für die (mobile) Internetnutzung und jederzeit verfügbare Angebote zum Alltag gehören (vgl. die Megatrends). Durch den vermehrten Einsatz digitaler Tools verändern sich andererseits Rolle und Aufgaben der Kursleiter/innen. Da Wissensbausteine in unüberschaubarer Zahl im Internet zur Verfügung stehen, sind sie im Kurs weniger als Wissensvermittler/innen gefragt. Sie werden immer mehr zu Lernberater/inn/en, die Teilnehmende auch vermitteln, wie sie mit Hilfe von Videos, Webseiten und Apps  selbstständig weiterlernen können. 

Wenn nicht die Kursleiter/innen digitale Tools in den vhs-Kurs tragen, sind es die Teilnehmer/innen: Im Fitnesskurs kontrollieren sie Puls und Schrittfrequenz mit Health Trackern, im Sprachkurs kommt eine Wörterbuch-App zum Einsatz. Kursleitende können diese Gelegenheit nutzen, um mit den Teilnehmenden ins Gespräch zu kommen und beispielsweise Themen wie Datenschutz anzusprechen. Dabei ist gemeinsames Lernen wichtiger als Expertise der Kursleitung: In punkto Digitalisierung sind wir alle lebenslang Lernende. Und das Einbeziehen von digitalen Aspekten im vhs-(Präsenz)-Kurs schult fast nebenbei die Medienkompetenz aller Beteiligten. Diese Vermittlung von „digital literacy“ ist jetzt und in Zukunft eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe von Volkshochschulen.

 

Das Konzept „Erweiterte Lernwelten“

Die aktuellen und zukünftigen Veränderungen der vhs-Angebote durch die Digitalisierung werden bei Volkshochschulen und ihren Verbänden unter den Begriff „Erweiterte Lernwelten“ (ELW) gefasst. Auf der programmatischen Ebene bedeutet ELW die Verbesserung der Digital-Kompetenz von vhs- Mitarbeitenden, -Kursleitenden und Teilnehmenden durch die Erweiterung des traditionellen Lehr-Lern Settings. Ausgangspunkt dieser Erweiterung sind die Lernenden und ihre Bedürfnisse – und daran angepasst die Auswahl geeigneter Methoden und Materialien seien sie nun digital oder analog.

In der praktischen Umsetzung besteht ELW unter anderem aus Fortbildungen, einem bundesweiten vhs-Portal ab September 2017 sowie so genannten Digicircles: Zusammenschlüssen von drei bis fünf Volkshochschulen, die digital ergänzte Angebote erproben und ihre Erfahrungen und Konzepte anderen Volkshochschulen anschließend zur Verfügung stellen. In Bade Württemberg arbeiten derzeit drei solcher Digicircles.

 

Abwägung zwischen analog und digital

Doch auch wenn eine Entwicklung der vhs in Richtung Digitalisierung für ihre Zukunftsfähigkeit unumgänglich ist: Der Einsatz digitaler Medien allein ist kein Garant für bessere Bildung. Die Lernmöglichkeiten, die sie eröffnen, können auch ins Gegenteil umschlagen: Dass im Internet Lernmaterialien frei zur Verfügung stehen, kann dazu führen, die Verantwortung für das Lernen und den Lernerfolg ganz an den Einzelnen delegieren. Und das Absolvieren von Selbstlerneinheiten vor dem Bildschirm beinhaltet die Gefahr von Vereinzelung und Vereinsamung. Volkshochschulen können hier mit ihrer Kernkompetenz, dem Präsenzunterricht, punkten. In der Kombination von analog und digital, von online und offline können sie ihre Stärke ausspielen und sich damit gerade in einer Zeit, in der die Entwicklung hin zum Online-Lernen geht, bestehen: Wo ein Trend ist, ist auch ein Gegentrend. Und wo digitales Lernen zum Normalfall wird, wird die besondere Qualität des Lernens in einer Gruppe, an einem realen Ort, besonders geschätzt.

 

Autorin: Tanja Sommerfeld

Zu These VII: Qualitätsentwicklung

Eine hohe Qualität in ihrer Bildungsarbeit zu realisieren, ist ein wesentliches Ziel der Volkshochschulen. „Qualität“ bezieht sich dabei nicht nur auf das Unterrichtsgeschehen im engeren Sinne, sondern auch auf die vor- und nachgelagerten Prozesse, wie beispielsweise Programmplanung, Anmeldesystem oder Öffentlichkeitsarbeit. Die systematische Qualitätsentwicklung sorgt so für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Bildungseinrichtung insgesamt.

Es existieren unterschiedliche Modelle der Qualitätsentwicklung, unter denen eine vhs je nach Ausrichtung ihrer Arbeit vor Ort auswählen kann. Bei der Auswahl des passenden Systems oder auch der Kombination zweier Zertifikate berät der vhs-Verband gern. Er informiert und unterstützt die Volkshochschulen umfassend, insbesondere durch Bereitstellung von Materialien, Rahmenverträge, Förderung der Vernetzung der Volkshochschulen untereinander, Erfahrungsaustausch, Beratung und Fortbildungen.

Die Arbeitsagentur erkennt ausschließlich die eigene AZAV-Zulassung an. Diese gewinnt aktuell weiter an Bedeutung, unter anderem durch die zunehmende abteilungsübergreifende Kombination von sprachlicher und beruflicher Qualifizierung. Wenn Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Bundesagentur für Arbeit (BA) zukünftig enger kooperieren, sind Anbieter im Vorteil, die mit beiden zusammenarbeiten können.

Speziell für Organisationen im Bildungsbereich stellt der Volkshochschulverband Baden-Württemberg ein eigenes Modell der Qualitätsentwicklung bereit: ZBQ – Zertifizierte BildungsQualität. Dieses Zertifikat wird vergeben, wenn eine Bildungseinrichtung ein Qualitätsmanagement nach den ZBQ-Regeln aufgebaut hat. Dazu gehören unter anderem eine Stärken-Schwächen-Analyse und die exemplarische Durchführung und Dokumentation eines entsprechenden Qualitätsprojekts. Das System ist weitgehend vergleichbar mit dem Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM – Committed to Excellence) und wurde in Kooperation mit der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Christiane Schiersmann, mit Blick auf die Rahmenbedingungen von Bildungseinrichtungen optimiert.

Die Begutachtungsstelle, die die Zertifizierung nach ZBQ vornimmt, setzt sich zusammen aus zwei Professoren der Universitäten Mannheim und Tübingen als Vertretung der Wissenschaft, einer Vertretung der Teilnehmenden, zwei Repräsentanten der Volkshochschulen sowie zwei Vertretungen des Volkshochschulverbandes. Die Begutachtungsstelle bewertet den Qualitätsentwicklungsprozess anhand der eingereichten Dokumentation und verleiht im Falle einer positiven Bewertung das Qualitätszertifikat ZBQ des Volkshochschulverbandes Baden-Württemberg.

Kleine Volkshochschulen, die eng zusammenarbeiten wollen, haben die Option, gemeinsam die Zertifizierung nach ZBQ zu erreichen, indem sie eine Kooperationsstruktur zur Sicherung ihres umfassenden inhaltlichen Angebots aufbauen.

Die Volkshochschulen in Baden-Württemberg nutzen für ihre Qualitätsentwicklung ganz überwiegend das ZBQ-Modell. Seit 2015 haben sich die Zertifizierungen nochmals deutlich erhöht. Auch die Zahl der AZAV- Zulassungen steigt aktuell erfreulich an. Damit nähern sich die Volkshochschulen dem Ziel ihrer Selbstverpflichtung, bis 2022 landesweit lückenlos über eine formelle und systematische Qualitätsentwicklung einschließlich Zertifizierung zu verfügen (These VII).