Volkshochschulen auf dem Weg ins Web: Neue Lernmöglichkeiten durch das Internet

Autorin: Dr. Julia Gassner, Fachreferentin Kultur – Gestalten, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

„Bildung, und das heißt Lehren, Lernen, Forschen, ist ohne das Internet nicht mehr denkbar“, so der Weiterbildungsexperte Jochen Robes im Interview mit der Zeitschrift Weiterbildung (2/2014).

Auch Volkshochschulen können sich dieser Entwicklung nicht entziehen, wenn sie als Bildungseinrichtungen ernst genommen werden möchten. Schon jetzt ist das Internet ins Kursgeschehen integriert: Kursleiter/innen recherchieren auf fachspezifischen Webseiten, Teilnehmer/innen schlagen Vokabeln in einer SprachenApp nach, Kursgruppen erstellen E-Mail-Verteiler, um in Kontakt zu bleiben. Das Potential des Internets für das Lehren und Lernen ist jedoch größer.


Ein Überblick über die wichtigsten Einsatzmöglichkeiten:

Unterricht vor- und nachbereiten

Online-Medien wie eine Lernplattform oder ein Blog eignen sich sehr gut, um den Teilnehmenden Kursinhalte zum Selbststudium zur Verfügung zu stellen. Weiterführende Informationen, die ohnehin häufig im Internet zu finden sind, können mit einem Link direkt eingebunden werden. Kursleitende können Fragen, die immer wieder auftauchen, für alle Teilnehmer/innen gleichzeitig beantworten. Ergebnisse des Kurses können ebenfalls hochgeladen und so für alle dokumentiert werden. Auch zur Unterrichtsvorbereitung kann eine Lernplattform oder ein anderes Werkzeug eingesetzt werden – als Material- und Ideensammlung, als Speicherort für Präsentationen und Skripte.

Expertinnen und Experten weltweit einbinden

Der Professor der Elite-Universität, die Expertin aus der Wirtschaft, die Kursgruppe aus Südafrika – das Internet bringt sie an die Volkshochschule und ermöglicht so authentische Einblicke in spezielle Fachbereiche und andere Lebenswelten. In Webkonferenzen oder Chats können vhs-Teilnehmende von Experten aus aller Welt lernen. Für Spezial-Themen können Kursleitende Fachleute als „virtuelle Dozenten“ in den Kurs einladen. Kurse können sich mit anderen Lernenden aus aller Welt austauschen.

Stärkere Mitwirkung am Lernprozess ermöglichen

Im Internet hat jeder und jede die Möglichkeit, sich aktiv an der Kommunikation zu beteiligen, z. B. ein Blog zu verfassen, an Wikis mitzuarbeiten, bei Facebook oder Instagramm zu posten. Für viele Internetnutzer und -nutzerinnen ist diese Möglichkeit mittlerweile selbstverständlich. Diese Haltung der gleichberechtigten Beteiligung kann auch auf Bildungskontexte übertragen werden, wenn Lernszenarien entwickelt werden, die Partizipation ermöglichen, etwa durch Lern-Communities, Foren oder gemeinsame Linksammlungen.

Präsenzzeiten stärken

Manche Lernprozesse benötigen Ruhe, Konzentration und Zeit, sich Inhalte anzueignen und zu reflektieren. Wenn die dafür nötigen Ressourcen online zur Verfügung gestellt werden, kann sich jede/r Teilnehmer/in die Zeit nehmen, die er oder sie dafür braucht. Die Zeiten, in denen sich alle Teilnehmer/innen an der Volkshochschule treffen, können dadurch besser für solche Aktivitäten und Lernprozesse genutzt werden, bei denen Austausch und gemeinsames Erleben im Vordergrund stehen.

Zeit- und ortsunabhängig lernen

Darüber hinaus sind auch Formate möglich, die ganz auf Präsenzphasen verzichten und rein im Internet stattfinden. Lernplattformen verfügen über zahlreiche Funktionen, die von der multimedialen Informationsvermittlung über die Kommunikation und das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten bis hin zu Prüfungen das Kursgeschehen komplett abbilden können. Die Teilnehmenden können sich dadurch ihre Zeit flexibel einteilen und sind nicht auf einen festen wöchentlichen Termin an der vhs angewiesen. Gelernt wird nach Feierabend, vor dem Frühstück oder unterwegs – und trotzdem zusammen mit anderen Kursteilnehmenden und -leitenden.

Teilnehmende individuell betreuen

Viele Funktionen einer klassischen Lernplattform bieten asynchrone, d. h. zeitversetzte Kommunikation. Im Unterschied zum Präsenzunterricht sind also meist nicht alle Teilnehmenden gleichzeitig im virtuellen Klassenzimmer. Ein/e Online-Tutor/in kann dadurch auf jede und jeden eingehen und individuelle Rückmeldungen zu den Übungen oder Tests geben – alle „kommen dran“ und niemand muss warten, bis alle im Kurs einen Lernschritt vollzogen haben.

Teilnehmerbindung intensivieren

Die individuelle Betreuung – zwischen zwei Kursterminen oder zwischen zwei Semestern – festigt die Beziehung zwischen Kursleiter/in und -teilnehmenden. Kleine Übungen für zwischendurch sorgen dafür, dass die Volkshochschule nicht in Vergessenheit gerät. Und nicht selten führt die auf den ersten Blick scheinbar unpersönliche, technisch vermittelte Kommunikation zu intensiverem und persönlicherem Kontakt.

Neue Zielgruppen erschließen

Das Internet in den vhs-Unterricht einzubeziehen ist nicht zuletzt eine Form der „aufsuchenden Bildungsarbeit“: Fast 80 Prozent der Deutschen sind online und nutzen das Internet regelmäßig für Information, Unterhaltung und Kommunikation. Dass die Angebote der Volkshochschulen online zu fi nden und zu buchen sind, ist selbstverständlich. Dass sie – zum Teil – online stattfinden, ist nur ein weiterer Schritt.

Für alle genannten Einsatzmöglichkeiten des Internets – die nicht vollständig und abschließend sein können – gibt es Beispiele an Volkshochschulen in Baden-Württemberg. Welche vhs welches Format anbietet, steht unter https://www.vhs-bw.de/uebergreifendes/lernen-mit-digitalen-medien/index.html. Weitere Beispiele wurden im vhsMOOC zusammengetragen.

Die Beispiele zeigen, dass Volkshochschulen auf dem Weg ins Web sind, dieser Weg aber nicht ganz einfach ist. Die Konkurrenz durch andere Bildungsanbieter, von einzelnen Bloggern bis hin zu großen Konzernen, ist im Internet noch größer. Die Grenzenlosigkeit des Internets steht im Kontrast zum Auftrag der Volkshochschulen, Bildungsangebote für die Bürgerinnen und Bürger ihrer Gemeinde zu  machen. Trotz immer einfacherer und intuitiverer Handhabung sind bei der Nutzung von Online-Werkzeugen gewisse technische Hürden zu nehmen. Und das Lernen im Web verändert Lernprozesse, Lehrende und Lernende.

Service des Volkshochschulverbandes

Der Volkshochschulverband Baden-Württemberg begleitet Volkshochschulen und Kursleitende auf diesem Weg ins Web:

In Fortbildungen erfahren Kursleitende, wie sie OnlineWerkzeuge gewinnbringend im Unterricht einsetzen können. Andere Workshops befassen sich damit, wie Facebook & Co. für das Online-Marketing genutzt werden können. Der Volkshochschulverband erprobt in Pilotprojekten Formate des Online-Lernens. Gefördert durch das Kultusministerium Baden-Württemberg wurde so beispielsweise eine Blended Learning-Variante des Lehrgangssystems Xpert Culture Communication Skills® entwickelt. Die entstandenen Materialien werden derzeit im EIF-Projekt „Kulturen integrieren“ von Volkshochschulen in ganz Baden-Württemberg eingesetzt. In der Grundtvig-Lernpartnerschaft INCLUSIVE führte der Verband zusammen mit vier Volkshochschulen Business English-Kurse via Skype durch. Die Erfahrungen sind in einen Leitfaden zum Thema Webinare eingeflossen, der unter http://www.vhs-bw.de/uebergreifendes/projekte/inclusive.html  abrufbar ist.

Bei mehreren Projekten setzt der Volkshochschulverband die Lernplattform ein, die das Kultusministerium Weiterbildungsträgern aus Mitteln des Bündnisses für Lebenslanges Lernen zur Verfügung stellt. Design und Funktionen der Lernplattform wurden dabei auf die Anforderungen des Verbandes zugeschnitten. Mittlerweile finden auf der Lernplattform Online-Prüfungen von Xpert Business statt, sie kommt in interkulturellen Trainings sowie bei der Bildungsinitiative Smartphone und Tablet PC zum Einsatz.

Weitere Funktionen der Plattform, etwa ein „Marktplatz“ für verschiedene Inhalte, sind in Vorbereitung. Volkshochschulen können die Plattform über den Verband auch für andere Kurse kostenlos nutzen.

Wenn es gelingt, das Internet nicht als Bedrohung für die Volkshochschule zu sehen, und auch nicht als Alternative zum gewohnten Unterricht, sondern als Chance und Bereicherung, dann kann die Volkshochschule eine große Stärke ausspielen, über die viele der Mitbewerber, die sich auf die technischen Möglichkeiten fokussieren, nicht verfügen: das Wissen darum, wie Erwachsene lernen. Welchen Input sie benötigen, welches Feedback und welche Motivation. Und der Lernerfolg steht und fällt mit der Betreuung der Teilnehmenden – nicht mit der Technik.


Der vhsMOOC:

MOOCs (Massive Open Online Courses) sind ein aktuelles Format des Online Lernens. Im Herbst 2013 haben rund 700 vhs-Mitarbeiter/innen, -Kursleiter/innen und -Teilnehmer/innen aus ganz Deutschland am ersten vhsMOOC teilgenommen, und viele Ideen rund um das Thema „Weblernen an der vhs“ zusammengetragen. Die Dokumentation des vhsMOOCs gibt es als kostenloses e-Book unter wbv-open-access.de. Im MOOC ist eine Reihe von Erklär-Videos zu digitalen Werkzeugen entstanden. Die Videos sind zum Lernen im Web abrufbar in der Mediathek des MOOCs unter http://www.vhsmooc.de/programm/mediathek/.