Was fehlte älteren Menschen, gäbe es die vhs nicht?

Autor: Dr. Michael Lesky, Fachreferent Politik – Gesellschaft – Umwelt, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Wer sind die „Älteren“?

Unsere Gesellschaft wird immer älter – was bedeutet das? Laut aktuellen Prognosen des statistischen Bundesamtes wird im Jahr 2060 jeder Dritte in Deutschland (33 % der Gesamtbevölkerung) älter als 65 sein (1). Diese Zahlen klingen dramatisch, wenn wir noch das alte defizitäre Bild von Alter im Kopf haben, das Alter mit Gebrechlichkeit, Rückzug und Einsamkeit verbindet. Doch werden die Menschen heute nicht nur immer älter, sondern sie bleiben auch länger gesund und leistungsfähig. Für viele Menschen heißt älter werden, dass sich mit dem Austritt aus dem Berufsleben und dem Selbstständigwerden der Kinder Möglichkeiten ergeben, das eigene Leben neu zu gestalten. Auch bietet der schnelle gesellschaftliche Wandel in allen Lebensbereichen neue Chancen und neue Zwänge: Denn die Voraussetzung zur Gestaltung dieses Lebensabschnitts ist die Bereitschaft, dazu zu lernen und sich auf das Neue einzulassen. Diese Bereitschaft ist auch notwendig, wenn sich im Verlauf des Alters Einschränkungen einstellen. Gleichzeitig besteht aber auch eine Art „gesellschaftlicher Zwang" zum Lernen: der rapide voranschreitende Wandel in allen Lebensbereichen erfordert ständige (Weiter-) Bildung, um nicht den Anschluss zu verlieren:  Wie finde ich das passende Theaterangebot, wie eine geeignete Wohnung? Je größer die Wahl und je schneller die Wechsel, desto größer die Notwendigkeit, sich aktuelle Informationen zu beschaffen und neue Teilhabemöglichkeiten zu erlangen. So kann das Alter als eine Lebensphase gelten, in der das Lernen nicht aufhört. Die neuen Freiräume als auch die mit zunehmendem Alter auftretenden Einschränkungen bilden Lernanlässe, bieten die Chance zu einer bewussten Lebensumstellung und -ausrichtung in einem ganzheitlichen Sinn.

Allerdings gibt es die genau definierte Gruppe der Älteren nicht – diese Gruppe ist so inhomogen wie die der jüngeren Menschen. Die Vielfalt der Lebensalter und Bildungsaktivitäten ist bei ihnen sogar noch größer als bei jüngeren Altersgruppen. Mittlerweile trennt man etwa das Alter in drei Phasen: „junge Alte“, „mittlere Alte“ und „Hochaltrige“. Außerdem sind „spezielle“ Gruppen und Milieus zu berücksichtigen, z. B. ältere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ältere Migrantinnen und Migranten, ältere Künstlerinnen und Künstler, die ältere ländliche Bevölkerung, etc. Bildung findet oft in altersheterogenen Gruppen und mit einer Vielfalt von Menschen mit unterschiedlichen Biographien statt, die von erlebten Herausforderungen, Chancen, Privilegien und Diskriminierungserfahrungen und unterschiedlichen weltanschaulichen Verortungen gekennzeichnet sind.

Trotz dieser Vielfalt konstatiert die Trendforschung für die Gruppe der Älteren folgende grundlegende gemeinsame Verhaltensweisen und Interessen (2):

  • Die Alten der Zukunft sind nicht „alt“ Noch nie war eine Rentner-generation wohlhabender, agiler und mobiler. Service und Komfort sind Trumpf.
     
  • Ältere Menschen schätzen Komfort Die wenigsten haben Interesse an Campingplätzen oder wackeligen Selbstbauregalen. Davon hatten sie in ihrer Jugend genug. Jetzt wollen sie ein bequemes, sicheres Auto. Oder ein einfach bedienbares Handy. Oder eine perfekt organisierte Kulturreise. Beratung und Service sind die Trümpfe der Zukunft.
     
  • Wo alt drin ist, darf nicht alt draufstehen „Alt“ ist in unserer Gesellschaft ein negativ besetzter Begriff. „Senior“ klingt auch nicht viel besser. Wo das Angebot stimmt, kommt die ältere Kundschaft von ganz alleine, auch ohne entsprechende Hinweise.
     

Nehmen die Angebote der Volkshochschulen Bezug auf diese Interessen und Verhaltensweisen? Was bietet die vhs für ältere Menschen?

Parallel zur Alterung der Bevölkerung werden auch die Teilnehmenden an den Volkshochschulen immer älter. Im Jahr 2006 waren 30 % der Teilnehmenden an den baden-württembergischen Volkshochschulen über 50 Jahre alt, im Jahr 2017 sind es bereits 41,5 %.(3) Verlängert man diese Prognose auf das Jahr 2025, wird in diesem Jahr jeder zweite Teilnehmende über 50 Jahre alt sein. Die Volkshochschulen sind also bereits ein Ort für ältere Menschen. Warum ist das so? Der Vielfalt der Zielgruppe „älterer Menschen“ scheint die Vielfalt der Angebote an den Volkshochschulen zu entsprechen und so dem Gestaltungswillen dieser Zielgruppe entgegen zu kommen. Denn sein Leben neu gestalten, kann bedeuten, neue Interessen zu entwickeln oder sich endlich lang gehegte (Bildungs-)Wünsche zu erfüllen – das wollte ich schon immer mal machen! In dieser Lebensphase ist häufig das soziale Umfeld wichtig, vhs-Kurse sind immer auch Orte der Begegnung, der Kommunikation und des Miteinander-Lernens. Ein ganz besonderes Format der Volkshochschulen ist das Studium Generale, auch Allgemeinbildungskolleg genannt. Im Studium Generale treffen sich die Teilnehmenden wöchentlich in festen Gruppen und behandeln gemeinsam einen Themenbereich, der fachübergreifend aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet wird. Wissen kann so nachgeholt und mit anderen Menschen ausgetauscht und diskutiert werden. Andere Formate nehmen auf unterschiedliche Lerngewohnheiten Rücksicht, vom „Lernen mit Muße“ bis zum Intensivkurs, vom Kurs in der Minigruppe bis zu Vortragsveranstaltungen mit vielen Menschen, vom digitalen Kurs bis zum klassischen Präsenzkurs ...

Denn sein Leben neu gestalten, kann bedeuten, gesellschaftlich aktiv zu werden, endlich Zeit zu haben, um sich ehrenamtlich zu betätigen. Aber Ehrenamt, ob im Verein, in der Flüchtlingsarbeit oder ungebunden, benötigt fachliches Wissen über Vereinsmanagement, finanzielle und rechtliche Voraussetzungen, Öffentlichkeitsarbeit, etc. Dieses fachliche Wissen vermitteln Kursangebote an den Volkshochschulen, die zuweilen auch in einer Ehrenamtsakademie angeboten werden. Und natürlich bieten die Volkshochschulen auch die Möglichkeit, das eigene fachliche (berufliche) Wissen aktiv in die Bildungsarbeit einzubringen und als Kursleitung an der Volkshochschule tätig zu werden.

Denn sein Leben neu gestalten, setzt aktives und gesundes Altern voraus. In Kursen und Seminaren der Gesundheitsbildung fördern die Volkshochschulen den eigenverantwortlichen Umgang mit Gesundheit, stärken die gesundheitlichen Ressourcen und gesundheitsförderliche Lebensweisen und sind Kooperationspartnerinnen in der Gesundheitsförderung. Die Volkshochschulen informieren in Vorträgen und Seminaren zu medizinischen Entwicklungen und setzen sich mit diesen Entwicklungen kritisch auseinander. Durch die Verknüpfung der eigenen gelebten Gesundheitspraxis mit der Vermittlung von Wissen sowie gesundheitsförderlichen Bewegungs-, Entspannungs- und Ernährungskursen bieten Volkshochschulen umfassende Möglichkeiten zur Gesundheitsbildung an. Mobile Internettechnologie spielt bei der medizinischen Betreuung und Selbstkontrolle eine immer größere Rolle. Vielfach bieten sich Möglichkeiten heute schon über Smartphones und Tablets. Einfache Zugänge zu diesen Geräten finden ältere Menschen in Smartphone- und Tablet-Kursen an den Volkshochschulen, die nicht nur in Grundlagen- (Was bedeutet Wischen?) und Fortgeschrittenen-Kursen das notwendige technische Wissen vermitteln, sondern auch in ganz besonders angepassten Silver Surfer Kursen über Hintergründe, Datenschutz und Lesetechniken (Wie lese ich eine Internetseite?) informieren. Kommen wir auf die in der Überschrift geäußerte Frage zurück, lautet die Antwort: Ohne die Volkshochschule fehlte älteren Menschen ein Ort, der mit vielzähligen Bildungsangeboten Möglichkeiten zur Gestaltung ihres Lebens eröffnet, der wichtige Alltagskompetenzen vermittelt und der Räume für Begegnungen ermöglicht – es fehlte ein zentraler Ort des Lebenslangen Lernens.

 

Quellen:

(1)Bevölkerung Deutschlands bis 2060, 13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung (2015).

(2)Trendreport „Die Anti Aging Gesellschaft“, Seven One Media (2015).

(3)Aktuelle Statistik zum Jahresbericht 2017, Volkshochschulverband Baden-Württemberg (2018).