Auch in 100 Jahre aktuell – Gesundheitsbildung an Volkshochschulen

Autorin: Vera Mühlbauer, Fachreferentin für Gesundheitsbildung, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

„Unter den Bedingungen fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels wird lebenslanges Lernen zur Voraussetzung individueller Selbstbehauptung und gesellschaftlicher Anpassungsfähigkeit im Wechsel der Verhältnisse“, sagte Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, beim Festakt anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Volkshochschulen am 13. Februar 2019 in der Frankfurter Paulskirche. Gesundheitsbildung an Volkshochschulen ist dabei Teil der genannten Voraussetzung. Bereits seit der Gründung der Volkshochschulen vor 100 Jahren ist die Gesundheitsbildung fester Bestandteil des allgemeinen Weiterbildungsangebotes der Volkshochschulen und das mit gutem Grund: Volkshochschulen fördern Bewegung und körperliche Aktivität, sie tragen zur Stressbewältigung bei und ihre abwechslungsreichen Angebote informieren über gesundheitsförderliches Verhalten und bieten die Möglichkeit zum Austausch untereinander – das alles ist aktuell wichtiger denn je!

Themen wie soziale Teilhabe, Chancengleichheit, Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind in aller Munde und die Gesundheitsbildung leistet ihren Beitrag dazu. Kurse zu Bewegung, Entspannung und Ernährung ermöglichen unmittelbare Begegnungen, regen wechselseitigen Austausch an, befördern gegenseitige Akzeptanz und tragen zur Integration bei. Wo könnte man beispielsweise besser lernen, unterschiedliche Vorlieben zu akzeptieren, eigene Bedürfnisse auszudrücken und mit Neuem umzugehen als in einem Kochkurs?

Die fortwährenden gesellschaftlichen Veränderungen wirken sich zwangsläufig auf unsere individuelle Lebensweise aus und damit auch auf unser Bewegungs-, (Ent-)Spannungs- und Ernährungsverhalten. Und das nicht immer zum Besten: Bedingt durch die Industrialisierung, beschleunigt durch die Digitalisierung sowie die damit einhergehenden veränderten Verhältnisse verbringen wir die meiste Zeit sitzend: Jeder und jede zweite Berufstätige hat einen Bildschirmarbeitsplatz. Zusätzlich wird auch der größte Teil der Freizeit sitzend vor dem Fernseher oder vor anderen digitalen Endgeräten verbracht. Dauersitzen ist Alltag. Bis zu 15 Stunden am Tag verharren Menschen in dieser Position. Sie steht im Widerspruch zu unserer ursprünglichen Körperkonstruktion, die auf Gehen, Laufen und Rennen ausgerichtet ist.

Bewegungsmangel, aber auch psychische Erkrankungen und zu energiereiche Nahrung können beispielhaft als Risikofaktoren genannt werden, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Neben diesen trägt auch eine immer älter werdende Gesellschaft dazu bei, dass die Gesundheitsausgaben wachsen und wachsen. Laut Statistischem Bundesamt übersteigen sie gerade die Marke von einer Milliarde Euro pro Tag.(1) Sie nähern sich der Unfinanzierbarkeit. Damit droht eine Spaltung der Gesellschaft in Menschen, die sich die Wiederherstellung ihrer Gesundheit noch leisten können und in Menschen, bei denen dies nicht mehr der Fall ist. Mehr noch als jede andere gesellschaftliche Spaltung ist eine solche „Gesundheitsspaltung“ zutiefst inhuman.

Deshalb ist das Angebot der Gesundheitsbildung an Volkshochschulen wichtiger Bestandteil der Allgemeinen Weiterbildung, ja der Allgemeinbildung. Möglichst alle Menschen müssen für den eigenverantwortlichen Umgang mit der individuellen Gesundheit sensibilisiert werden. Gesundheitsschädlichen Defiziten muss präventiv entgegen gewirkt werden. vhs-Angebote wie Wirbelsäulengymnastik, Pilates, Autogenes Training sowie Informationsveranstaltungen zu allgemeinen Gesundheitsthemen holen die Menschen weg vom Sofa in den Kursraum oder in die Lehrküche. Sie aktivieren, informieren und motivieren zu mehr Bewegung, körperlicher Aktivität, Selbstfürsorge und Achtsamkeit: Sie befördern ein ganzheitliches Gesundheitsbewusstsein – und gesundheitliche Chancengleichheit.

(1) Statistisches Bundesamt, verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/_inhalt.html, aufgerufen am 10.04.2019