Keine Zukunft ohne Mehrsprachigkeit

Keine Zukunft ohne Mehrsprachigkeit

Autorin: Olga Grimm, Fachreferentin für Sprachen und Integration, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Moderne Kommunikation kennt keine Länder-, Sprach- und Kulturgrenzen mehr. Die Mehrsprachigkeit wird zu einer wichtigen Ressource, die sich in verschiedenen Bereichen widerspiegelt: Längst sind nicht nur Großkonzerne weltweit tätig, auch kleine und mittelständische Unternehmen agieren international. Die länder- und kulturübergreifende Zusammenarbeit setzt eine barrierefreie Kommunikation voraus. Fremdsprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch werden zunehmend auch in Deutschland zu den Unternehmenssprachen – extern wie intern. Selbst die Betriebe, die ausschließlich auf den deutschen Markt orientiert sind, müssen sich verstärkt auf einen internationalen Kundenkreis einstellen. Folglich wächst sowohl bei großen als auch bei kleinen Unternehmen der Bedarf an mehrsprachigen Mitarbeitenden.

Berufsschulen, Hochschulen und Universitäten reagieren auf diese Entwicklung mit nachzuweisenden Sprachkenntnissen als Zulassungskriterium. Im Ausbildungsprozess eröffnen solide Sprachkenntnisse zahlreiche Möglichkeiten wie ein Studium oder ein Praktikum in anderen Ländern, wodurch sich die beruflichen Perspektiven signifikant verbessern. Somit wird die Mehrsprachigkeit zu einer immer wichtigeren Schlüsselkompetenz auch auf dem Ausbildungsmarkt.

Die Mehrsprachigkeit gewinnt nicht nur im beruflichen Kontext an Bedeutung, sie ist auch aus dem privaten Alltag der Europäerinnen und Europäer nicht mehr wegzudenken: Ob bei der Suche nach Informationen, beim Reisen, Fernsehen und Einkaufen genauso wie beim Interagieren in (virtuellen) Communitys – die Sprachenvielfalt gehört zur gelebten Wirklichkeit. Gute Fremdsprachenkenntnisse fördern das Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, was für das Zusammenleben in einer mehrsprachigen und multikulturellen Gesellschaft unerlässlich ist.

Neben ihrer Funktion als das wichtigste Kommunikationsmittel fungiert Sprache als ein wesentlicher Bestandteil der Identität der Menschen und ist der unmittelbarste Ausdruck deren Kultur. Denn soweit in einer Sprache gedacht und interagiert wird, soweit werden Menschen durch diese Sprache geprägt. Die Beherrschung diverser Sprachen geht somit mit dem Eintauchen in andere Kulturen, Lebensweisen und Mentalitäten einher.

Vor diesem Hintergrund bedarf es in der Europäischen Union, die auf dem Grundsatz „In Vielfalt geeint“ begründet ist, Menschen, die sich anderer Sprachen bedienen können, um in multilingualen und multikulturellen Kontexten erfolgreich zu leben. Wichtig ist, dass sich das Fremdsprachenlernen in Europa nicht auf das Englische beschränkt, sondern andere Fremdsprachen beim Lernen und Anwenden viel stärker in den Fokus gerückt werden.

Eine der Aufgaben von Erwachsenenbildung wird es also auch in Zukunft sein, Menschen bei der Entwicklung ihrer Schlüsselkompetenz Mehrsprachigkeit mit vielfältigen, flexiblen und vor allem qualitativ hochwerti­gen Angeboten zu unterstützen.

Während bei deutschen Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern das Hauptaugenmerk auf dem Erwerb von Fremdsprachen liegt, geht es bei Zugezogenen um die Anerkennung und den Erhalt ihrer Herkunftssprachen. Denn die muttersprachliche Kompetenz von Migrantinnen und Migranten wird nicht in jedem Fall über Jahre beibehalten. Sie wird beeinflusst durch die Dauer des Aufenthalts in Deutschland, die Distanz zwischen den Kulturen und das Image der Herkunftssprache. Eine weitere Aufgabe der Volkshochschulen wird es daher sein, das Bewusstsein für Sprachenvielfalt und die Anerkennung der Mehrsprachigkeit in der Gesellschaft zu steigern.