Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Gesundheit verbindet

Autorin: Vera Mühlbauer, Fachreferentin für Gesundheitsbildung, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Was hält unsere Gesellschaft zusammen? Diese zentrale Frage wird seit der Fluchtbewegung 2015 nach Europa und Deutschland immer häufiger gestellt. Für unsere Gesellschaft, die sich zunehmend durch Vielfalt auszeichnet, stellt dies eine Herausforderung dar.

Einen vielversprechenden Ansatz liefern das Thema Gesundheit und der Gedanke der gesundheitlichen Chancengleichheit. Uns alle verbindet das Bestreben, möglichst lange, selbstständig und gesund zu leben. Bereits bei ihrer Gründung 1946 setzte sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Gesundheit für Alle“ als Ziel: Alle Menschen sollen die gleiche Möglichkeit haben, gesund zu bleiben oder gesund zu werden – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sozialer Lage oder Alter. Doch in der Realität sieht es oft anders aus.

Internationale Studien wie der Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegen, dass speziell in Deutschland schulische Leistungen und Erfolge stärker als in anderen Ländern an die soziale Herkunft gekoppelt sind. Bildungsungleichheit wird von einer Generation auf die nächste übertragen. Zugleich hat der Bildungsstand großen Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen. Bildung steigert nicht nur das Wissen, sondern auch die gesundheitliche Handlungskompetenz, die gesundheitsförderliche Lebensweisen unterstützt und Gesundheitsrisiken reduziert. Menschen mit mittlerem und hohem Bildungsstand nehmen Präventionsleistungen stärker in Anspruch, sind in ihrer Freizeit körperlich aktiver, bewegen sich also mehr und rauchen seltener.

Auch dass das Einkommen Einfluss auf die Gesundheit hat, ist durch vielzählige sozioökonomische Studien belegt. Laut Statistischem Bundesamt überstiegen die Gesundheitsausgaben 2017 erstmals die Marke von einer Milliarde Euro pro Tag1. Die Ausgaben nähern sich der Unfinanzierbarkeit. Damit droht eine Spaltung der Gesellschaft in Menschen, die sich die Wiederherstellung ihrer Gesundheit noch leisten können und Menschen, denen die finanziellen Mittel dazu fehlen.

Ungleichheiten erhöhen also das Konfliktpotenzial innerhalb einer Gesellschaft, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt jedenfalls nicht befördert, ihn sogar gefährden kann. Deshalb sind gleiche Bildungschancen generell und ist eine gleiche Gesundheitsbildung speziell ein wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Gesundheitsbildung an Volkshochschulen fungiert somit in mehrfacher Hinsicht als Bindemittel der Gesellschaft:

Gesellschaftlicher Zusammenhalt beginnt vor Ort, dort, wo sich Menschen im Alltag begegnen, wo durch gemeinsames Handeln und Erleben gemeinschaftliche Erfahrungen gesammelt werden und ein Miteinander entsteht. Die Volkshochschule als Ort der Bildung und Begegnung, der für alle Menschen offen ist, eignet sich dazu in besonderer Weise.

Über Gesundheitsangebote werden im Kursgeschehen aktiv der Zusammenhalt erlebt und Gesundheitskompetenzen erworben. Beim gemeinsamen Kochen, Bewegen und Entspannen kommen die Teilnehmenden miteinander ins Gespräch. Es finden unmittelbare Begegnungen statt, die zum wechselseitigen Austausch anregen. Der eigene Horizont wird über das eigentliche Tun maßgeblich erweitert. Im Kochkurs können landestypische Gerichte gekocht und andere Traditionen kennengelernt werden, beim Entspannen im Entspannungskurs und bei der gemeinsamen Bewegung entsteht ein Gruppengefühl. Durch Gesundheitsthemen werden also Menschen unterschiedlicher Herkunft und Milieus bei gemeinschaftlichen Aktivitäten zusammengebracht, denn alle vereint ein Ziel: die Gesunderhaltung.

Durch den niederschwelligen Ansatz und hohen Bezug zu Grundbedürfnissen der Menschen eignet sich die Gesundheitsbildung außerdem hervorragend als  Brücke, um indirekt andere Themenfelder zu transportieren. So kann im Kochkurs das Thema Nachhaltigkeit aufgegriffen werden und Inhalte wie Regionalität, Saisonalität oder Klimabilanz bei der Lagerung von Lebensmitteln thematisiert werden. Durch Bewegungsangebote wie „Walk and Talk“ können bei einem Spaziergang Sprachkompetenzen erlangt und anhand von Entspannungskursen andere Kulturen kennengelernt werden. Die Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen und Themen bietet dabei die Chance, einen neuen Blickwinkel einzunehmen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Diversität persönlich zu erleben, voneinander und miteinander zu lernen und gleichzeitig die eigene Gesundheit zu fördern, ist ein Gewinn für die gesamte Bevölkerung.

Zusammen etwas schaffen, tun und erleben stärkt das Wir-Gefühl und das in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen.

(1) Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Themen/ Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/_inhalt. html, aufgerufen am 10.04.2019.