vhs analogital - die hybride Volkshochschule

Autorin: Dr. Julia Gassner, Fachreferentin für Digitalisierung, Volkshochschulverband Baden-Württemberg

Die analogitale vhs als Volkshochschule, deren Angebot jeweils zur Hälfte aus analogen und digitalen Veranstaltungen besteht: Als der Volkshochschulverband Baden-Württemberg 2018 dieses Entwicklungsziel formulierte, waren die Volkshochschulen weit davon entfernt. Der Anteil digitaler Angebote am Programm bewegte sich bei den meisten Volkshochschulen im einstelligen Prozentbereich.

Entwicklungsschub für die digitale Volkshochschule

Durch die Corona-bedingte Schließung der Volkshochschulen für den Präsenzbetrieb änderte sich dies schlagartig: Von einem Tag auf den anderen fand vhs-Arbeit zu 100 Prozent digital statt. Die vhs.cloud, Webkonferenzsysteme und social media wurden zu den wichtigsten Lern- und Arbeitsmitteln. Die in kürzester Zeit entwickelten Online-Kurse, Lernvideos und Livestreams machten deutlich, dass Volkshochschulen in der Lage sind, digital zu arbeiten – aber auch, dass der persönliche Kontakt, das Miteinander Lernen im Präsenzunterricht, durch nichts zu ersetzen sind. Das entspricht auch dem Konzept der analogitalen vhs: Ihr Ausgangspunkt ist die Volkshochschule als Ort des sozialen Lernens und der persönlichen Begegnung, in den digitale Medien als selbstverständlicher Bestandteil eingebunden werden. Die analogitale vhs nutzt digitale Tools und Medien zum Lehren und Lernen, zur internen und externen Kommunikation sowie in der Organisation und der Verwaltung.

Weiterentwicklung der analogen Volkshochschule

Dabei geht es nicht um eine Verdrängung von Präsenzunterricht und persönlicher Begegnung, sondern um eine Ergänzung der analogen Settings, wie es auch in der Formulierung „Erweiterte Lernwelten“ zum Ausdruck kommt. Im gleichnamigen Projekt haben der Deutsche Volkshochschul-Verband und die Landes­verbände von 2014 bis 2019 die Digitalisierung der Volkshochschulen gefördert. Zentrales Ergebnis dieser Bemühungen ist die vhs.cloud, die die Umsetzung digitaler und digital ergänzter Bildungsangebote ermöglicht, von begleitenden Kursmaterialien auf der Plattform bis zum Live-Online-Kurs. Dabei ist die vhs.cloud nicht nur eine Lern-, sondern auch eine Kommunikations- und Arbeitsplattform und weist damit auf ein zentrales Merkmal der analogitalen vhs hin: Nicht nur das Lernen, auch das Arbeiten an der vhs verändert sich. Zur analogitalen vhs gehören digitale Medien im Unterricht von Smartphone, interaktivem Whiteboard und Beamer bis zu Foren, Chats und Webkonferenzen ebenso wie die digitale Kommunikation mit Teilnehmenden und Kursleitenden etwa über die Website, Newsletter und social media-Kanäle sowie die digitale Planung und Verwaltung der Angebote.

Damit ist die analogitale vhs eine notwendige Voraussetzung der agilen vhs: Beispielsweise können über digitale Medien kurzfristig entwickelte Lernangebote schneller kommuniziert werden als über Printmedien. Auch Planung und Durchführung von vhs-Angeboten sind digital agiler möglich, wenn z.B. Veranstaltungen im digitalen Raum zu einem beliebigen Zeitpunkt durchgeführt werden können. Die analogitale vhs erfordert daher begleitende Organisations- und Personalentwicklung, die bei der Entwicklung einer Vision zur Positionierung der vhs in der digitalen Welt anfängt und bei der digitalen Ausstattung der Räume längst nicht abgeschlossen ist. Das Fernziel der analogitalen vhs bleibt ein Angebot, das jeweils zur Hälfte aus analogen und digitalen Angeboten besteht – und in dem jedes Lehr-Lern-Setting seine Stärken ausspielen kann und sich beide komplementär ergänzen. So bieten beispielsweise Präsenzphasen Raum für thematische Einführungen und mündliche Kommunikation, während in Onlinephasen die selbständige Vertiefung und der schriftliche Austausch im Vordergrund stehen. Auch umgekehrt ist die Kombination sinnvoll, wenn die Teilnehmenden etwa in Präsenzterminen die erforderliche Technik kennenlernen, um für Online-Angebote gerüstet zu sein.

Checkliste „vhs analogital“

Zur Unterstützung der Volkshochschulen auf dem Weg zur analogitalen vhs hat der vhs-Verband eine Reihe von Werkzeugen entwickelt: Bereits seit Frühjahr 2019 gibt es die Checkliste „vhs analogital“, eine Zusammenstellung einfacher bis aufwändigerer Maßnahmen, die Volkshochschulen im digitalen Bereich umsetzen können. Dazu gehört zum Beispiel die Beteiligung an bestehenden Online-Veranstaltungen wie „Smart Democracy“, die Schulung von Kursleitenden zur Nutzung von Beamer und Co. oder die Beteiligung an Such-Portalen wie volkshochschule.de oder fortbildung-bw.de, damit die eigenen (Online-)Angebote auch gut gefunden werden können.

Organisationsentwicklungsmodell „Digitalisierte Bildungsqualität“

Einen Schritt weiter geht das Konzept „Digitalisierte Bildungsqualität“, das der vhs-Verband den Volkshochschulen seit 2020 zur Verfügung stellt. Es orientiert sich am Qualitätsentwicklungsmodell des Verbandes „ZBQ – Zertifizierte Bildungsqualität“, das seinerseits auf EFQM basiert. Ausgangspunkt ist eine individuelle Selbstevaluation der Volkshochschule, die anhand von Leitfäden eine Einschätzung vornimmt, wie weit sie auf dem Weg zur analogitalen vhs bereits vorangeschritten ist. In diese Leitfäden ist neben den Kriterien aus der Qualitätsentwicklung der DigCompOrg eingeflossen, der Europäische Referenzrahmen für digital kompetente Bildungseinrichtungen.

Wesentliche Faktoren, die zu einer gelungenen Digitalisierung von Bildungseinrichtungen beitragen, sind in den Leitfäden abgebildet und zeigen der Volkshochschule auf, wo ihre Stärken sind und wo noch Lücken oder Schwächen bestehen, so dass daraus in einem nächsten Schritt Verbesserungsprojekte abgeleitet werden können. Wie bei der Qualitätsentwicklung erfolgt die Selbstevaluation und möglichst auch die Projektumsetzung in einer Gruppe, die neben vhs-Mitarbeitenden aus Leitung, Planung und Verwaltung auch Vertreter*innen von Kursleitungen und Teilnehmenden umfasst: Alle am Bildungsprozess Beteiligten mitzunehmen, ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der analogitalen vhs. Denn ihr geht es nicht darum, Digitalisierung um der Digitalisierung willen umzusetzen, sondern um das Lernen und die Kommunikation zu verbessern, Teilhabechancen zu erhöhen und die Qualität der Angebote zu steigern.