Nachhaltigkeit als Aufgabe der Volkshochschule

Autor: Dr. Michael Lesky, Fachreferent für Politik - Gesellschaft - Umwelt 

September 2021 kurz vor den Bundestagswahlen – die politische Debatte wird von den Themen Klimakrise, Mobilität und Generationengerechtigkeit geprägt. Besonders kontrovers wird die Diskussion, wenn es um unseren Lebensstandard und unser Mobilitätsverhalten geht. Weitgehende Einigkeit besteht hingegen darin, dass wir in einer Welt leben, die durch eine rasante wirtschaftliche Entwicklung geprägt ist.

Diese Entwicklung ist mit großen ökologischen, gesellschaftlichen und demographischen Herausforderungen verbunden: Klimawandel und Artensterben haben sich beschleunigt, die Übernutzung der natürlichen Ressourcen der Erde setzt sich ungebremst fort, Ungleichheiten werden größer. Die Bevölkerungszahl auf der Erde wird bis 2050 voraussichtlich von heute rund sieben auf dann fast zehn Milliarden ansteigen – ein Großteil der zusätzlichen drei Milliarden wird in Städten leben. Eine unveränderte Fortsetzung unserer bisherigen industriegesellschaftlichen Lebens- und Wirtschaftsweise würde in Zukunft zu einer dramatischen Zunahme ökologischer Risiken, ökonomischer Krisen und sozialer Ungerechtigkeit auf unserem Planeten führen. Welche Antworten kann Bildung, kann Erwachsenenbildung und besonders die Bildungsarbeit der Volkshochschulen auf diese Herausforderungen geben?

Das Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) will allen Menschen ermöglichen, die Werte, Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlangen, die für eine zukunftsfähige Gestaltung des eigenen Lebens und der Gesellschaft notwendig sind und die sie in Zeiten der Globalisierung handlungsfähig machen. Die BNE möchte Menschen dabei unterstützen, Kompetenzen zu entwickeln, die es ihnen erlauben, sich selbstständig und gemeinsam mit anderen für nachhaltige Entwicklung einzusetzen und diese substanziell voranzubringen (Gestaltungskompetenz). In einem ganzheitlichen Ansatz werden die ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen und politischen Dimensionen aufgenommen und die Verschränkung von globalen, regionalen und lokalen Strukturen und Prozessen berücksichtigt. Dabei nimmt BNE nicht nur den Menschen, sondern alle Lebewesen und Lebensräume in den Blick.

Aus dieser Vorstellung von nachhaltiger Entwicklung geht hervor, dass die ganze Welt, d.h. alle Menschen, aufgefordert ist, sich den bestehenden Herausforderungen zu stellen. Hierbei handelt es sich um eine ganzheitlich umzusetzende Aufgabe. Die Agenda 2030 nimmt diese Gedanken auf. Sie schließt in ihr Konzept einer nachhaltigen Entwicklung die Menschen aller Länder (auch der Industrieländer) ein und formuliert 17 Ziele aus den zentralen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung (Ökologie, Wirtschaft, Soziales, Politik). Zudem beruft sich die Agenda ausdrücklich auf die Menschenrechte und nimmt Bezug auf die Bereiche Frieden und internationale Zusammenarbeit. Armutsbekämpfung und Umweltschutz werden miteinander verknüpft. Die Agenda 2030 beschränkt sich aber nicht darauf, gemeinsame Ziele zu definieren, sondern sie beschreibt auch die Zielvorgaben, die zu ihrer Umsetzung benötigt werden.

Für die Bildungsarbeit der Volkshochschulen bieten die unterschiedlichen Aspekte der Agenda 2030 vielfältige inhaltliche Anknüpfungspunkte: Wir leben in EINER Welt – Konsummuster in Deutschland haben mit Arbeitsbedingungen und Menschenrechten in anderen Teilen der Erde zu tun, der CO2-Ausstoß, gerade der „industrialisierten“ Länder, verstärkt den Klimawandel, der nicht Halt macht vor Landesgrenzen. Wenn Armut gemacht wird, wer ist dann daran beteiligt, was sind die globalen Zusammenhänge ihrer Entstehung? Was bedeutet Armutsreduzierung in Deutschland, was in den ärmsten Staaten dieser Erde? Was ist uns Wohlstand für alle wert? Und was ist überhaupt ein „gutes Leben“? Wie hängen wir in einer globalisierten Welt im Großen wie im Kleinen über die Kontinente hinweg voneinander ab?

Ganzheitliche Bildung fragt danach, welche Rolle jede*r von uns übernehmen kann auf dem Weg zu einer global gerechten, friedlichen Weltgesellschaft, die Mensch und Umwelt gleichermaßen im Blick hat. Damit bietet Bildung einen Rahmen für die Unterstützung von Kompetenzen, die Menschen für eine Beteiligung am Prozess der in der Agenda 2030 postulierten „Transformation der Welt zum Besseren“ benötigen. Ein kritisches Engagement erfordert Informationen und Möglichkeiten, sich auf Basis von Reflexion und Austausch zu positionieren und (gemeinsam) Handlungsalternativen zu erarbeiten und auszuprobieren.

Die dafür notwendigen Kompetenzen vermitteln die Volkshochschulen vor Ort in Gemeinden und Städten durch konkrete und praxisbezogene Bildungsangebote, die kommunale Vielfalt spiegelt sich auch in der Unterschiedlichkeit der Bildungsveranstaltungen wider: Neben den Kommunen selbst werden regionale Akteur*innen, zum Beispiel Vereine und Organisationen, die sich mit Fragen der Umwelt- und Entwicklungspolitik beschäftigen, aktiv in die Arbeit der Volkshochschule miteinbezogen. Viele Volkshochschulen kooperieren mit den Naturschutzvereinen vor Ort oder sind an kommunalen Initiativen wie etwa bei „Meine.Deine. Eine Welt.“ beteiligt. Mit Repair Cafés, Kleidertauschbörsen oder Kursen zum Upcycling zeigen die Volkshochschulen konkrete Handlungsoptionen auf. Über landesweite Kooperationen und Projekte bilden die Volkshochschulen in „KlimaFit Kursen“ (Kooperation mit REKLIM und WWF) Bürger*innen zu Multiplikator*innen für den kommunalen Klimaschutz aus oder informieren in der digitalen Reihe „Stadt.Land.Welt. – Web“ zu den 17 Weltentwicklungszielen der Agenda 2030.

Und nicht nur in ihren Programmangeboten sondern auch in ihrer Organisationsentwicklung nehmen viele Volkshochschulen das Thema ernst, etwa in der nachhaltigen Beschaffung von Büromaterial, klimaschützenden Baumaßnahmen und der nachhaltigen Ausrichtung von Veranstaltungen.

Viele Maßnahmen, Kooperationen und Programmangebote wurden im bundesweiten Schwerpunktthema „Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Volkshochschule“ des Jahres 2021 angestoßen. Die Volkshochschulen in ganz Deutschland haben sich auf den Weg gemacht und gezeigt, dass sie Verantwortung als Schlüsselakteurinnen der Weiterbildung in diesem Bereich wahrnehmen wollen und können.